INTERVIEW
Mikael Wardhana
Mikael Wardhana Yi Qing Yin Delphine Premoli Rimi Ura & Yumiko Hikage Jessica Solomon, Lola Cazeneuve, Camille Yudu Zeng & Katherine Konlin Leica S mit Summarit-S 1:2,5/35mm Asph., Summarit-S 1:2,5/70mm Asph., Apo-Macro-Summarit-S 1:2,5/120mm Asph.
Künstlerin und Couturierin Yi Qing Yin sagt, der kreative Prozess sei erst vollendet, wenn es gelingt die Seele eines Kleidungsstücks herauszuarbeiten. Ihre üppigen Rüstungen kontrastiert die Ausnahmedesignerin deshalb mit ebenso flüchtigen wie zarten Strukturen. In Zusammenarbeit mit Yi Qing inszenierte der australische Fotograf Mikael Wardhana in Paris seine visionäre Interpretation dieser Maxime für S Magazin.
S Magazin: Dein Shooting hat einen romantischen Touch. Es ist technisch brillant und zeigt gleichzeitig eine intellektuelle Annäherungsweise. Wie und warum gehst du in diese visuelle Richtung, und was ist dein ästhetisches Ziel?
Mikael Wardhana: Ich war schon immer von der leicht dunkleren Seite der Schönheit angezogen. Es liegt einfach in meinem Naturell, einen etwas verschütteten, romantischen Weg zu gehen, wenn es um Farben oder Looks geht. Spielerische, freudige und strahlende Farbgebung fällt mir viel schwerer. Egal was ich tue, ich kehre immer in ein Feeling der Romantik zurück.
Es hilft auch nicht, mich immer auf das dramatische Licht eines Caravaggio, die düsteren Ausdrücke in William Adolphe Bouguereaus Gemälden oder die dramatischen Körperhaltungen griechischer und römischer Skulpturen zurückzubeziehen.
Als ich das Konzept für das S-Magazin-Shooting ersann, war ich sehr inspiriert von der Statue La Danse von Jean-Baptiste Carpeaux an der Frontseite des Palais Garnier in Paris.
Hast du Rollenvorbilder, oder wirst du von Ikonen der Fotografie beeinflusst?
Ich versuche, mich nicht zu vielen Einflüssen auszusetzen, was andere Fotografen betrifft. Ich bin mir der Leistungen der Legenden der Fotografie bewusst, studiere sie aber nicht, weil ich meine Richtung behalten will. Die Versuchung zu recyceln ist zu groß – das will ich nicht.
Ich suche mir meine Ideen eher in den anderen Künsten wie Malerei, Skulptur oder Tanz – so divers wie möglich. Ich bilde mir meine eigene Meinung und lasse sie in meine Arbeit einfließen.
Momentan sind es die Bronzen von Auguste Rodin; sie treffen mich enorm, was ihre Tiefe und Düsternis betrifft. Ich könnte einen Klimt stundenlang ansehen, um Schönheit und Romantik zu erfassen.
Ich höre Musik von FKA Twigs und ähnlichen Bands, um etwas von Sex und Emotion zu lernen, die ich dann umsetzen kann. Moderner Tanz lehrt mich Kraft, Beweglichkeit und Leidenschaft.
In der Fotografie sehe ich zu Nick Knight auf, wie er ohne Unterlass experimentiert und sich neu erfindet. Am anderen stilistischen Ende stehen aber so junge Talente wie der Chinese Ren Hang oder der Amerikaner Ryan McGinley.
Die Bilder für das S Magazin drücken eine erstaunliche Umsetzungsenergie aus. Worin bestand die größte Herausforderung? War es etwa das große Porträt des strukturierten silbernen Kleides mit Textilstreifen oder die eingefrorene Tanzszene?
Die größte Herausforderung war die Balance zwischen der Planung und den Einflüssen der kleinen „Unfälle“ während des Shootings. Ein Bild darf nicht statisch sein, es muss leben, wie Sie ja selbst sagten. Dazu kann man ein Element der Überraschung, eines „guten Unfalls“ nutzen!
Ich hatte eine ungefähre Ahnung, wie alles aussehen sollte. Ich habe den Aufbau gemacht und dann das Model angehalten, sich gehen zu lassen, die Haltungen nach eigenem Gusto zu verändern.
Wenn das Model die Standardposen einnimmt, wird es leblos. Wir wollen Posen haben, die nicht repetitiv sind. Ich habe einfach das Setting für den Überraschungsmoment geschaffen.
Warum hast du Yi Qing Yin als Designerin gewählt?
Ich bin schon vor Jahren auf sie aufmerksam geworden, und es war Liebe auf den ersten Blick. In einer von Trends bestimmten und auf die Kunden ausgerichteten, ja von ihnen diktierten Modewelt ist Yi Qing Yins Couture außergewöhnlich und sticht nur durch ihre von Trends unabhängige Vision hervor. Es war mir sofort klar, dass sie ihren Idealen folgt und ihren Vorstellungen. Eigentlich sind ihre Kreationen keine Kleider, sondern Skulpturen für den Körper.
Ich denke, sie bezieht sich sowohl auf ihre Heimat China als auch auf Sydney, wo sie sich aufgehalten hatte, bevor sie in Paris so erfolgreich wurde. Sie ist eine Künstlerin, zu der ich ein besonderes Verhältnis entwickelt habe.
Nach welchen Kriterien wählst du deine Models aus?
Als ich vor vielen Jahren anfing, war ich zu sehr daran interessiert, ein renommiertes Model aus einer renommierten Agentur zu finden. Ich suchte nach der Schönheit der Saison, bis ich erkannte, dass das auf Dauer zu nichts führt.
Die guten Models sind nicht die, die sich voll und ganz den Standards der Industrie anpassen und unterwerfen. Ich glaube, die Modewelt bewegt sich von dort fort – es ist stattdessen eine neue Hinwendung zu einer Diversifikation in der Schönheit entstanden: Models anderen Zuschnitts, andere Typen, Hautfarben, Lebhaftigkeit werden heute akzeptiert, was ich sehr gut finde.
Ich denke, die wirklich Guten, die es an die Spitze schaffen, sind die mit echter Persönlichkeit. Sie sind keine Modepüppchen, sondern einzigartige Menschen mit einzigartiger Qualität. Das macht sie bedeutsam, und auch die Bilder, die mit ihnen entstehen, haben letztlich mehr Bedeutung. Ich suche immer neue Gesichter zu diesem Zweck.
Du hast einen indonesisch-australischen Hintergrund und arbeitest in Sydney. Beeinflusst dich dein kultureller Hintergrund?
So sehr ich das auch bejahen wollte, ich kann nicht sagen, dass dies der Fall ist. Mit vielen Asiaten teile ich eine äußerst konservative Erziehung – wir wurden nicht dazu erzogen, eine starke Identität und Individualität zu entwickeln, was ich nicht als Nachteil oder als hinderlich empfinde. Ganz im Gegenteil: Ich sehe das eher als Möglichkeit zu einem ungebundenen, freien Anfang – um einzigartig zu sein.
Aber das erkannte ich erst, als ich 2004 nach Australien zog. Ich wuchs an mir selbst und lernte mich kennen und das, was mich ausmachte – ein langer und anstrengender Weg der Selbstreflexion und des Ausdrucks meiner selbst. Aber diese Mission brachte mich zur Fotografie, das eben finde ich an ihr so anziehend.
Du reist durch die ganze Welt. Siehst du dich als Kosmopoliten? Hast du Lieblingsorte, -städte, -länder?
Ich reise ja nicht nur, sondern lebe und arbeite in verschiedenen Ländern, eine sehr schöne, nicht endende Reise … Ich habe lange aus dem Koffer gelebt, weil ich in den letzten zweieinhalb Jahren oft gar nicht lange genug an einem Ort blieb.
Das interessanteste dieser Abenteuer waren die anderthalb Jahre in China. Sydney bleibt zwar meine Heimat, aber ich freue mich auf meine Stippvisiten in Indonesien. Bin ich ein Kosmopolit? Wohl eher ein Globetrotter …
Wo siehst du dich in zehn Jahren? Hast du einen Traum, den du gern ausleben möchtest? Ein Projekt der Zukunft?
Ich möchte mich und meine Skills in den nächsten Jahren mit Hingabe weiterentwickeln. Mein Schwerpunkt liegt, wie ich schon sagte, auf der Kommunikation, ich muss mich nicht durch die traditionelle Fotografie eingrenzen lassen.
Wir befinden uns in der Internet-Ära, die neue Sichtweisen und Handlungsweisen erfordert. Ich werde mehr in 3-D machen und bewegte Bilder oder kurze Clips drehen, um meine Arbeit zu zeigen. Hoffentlich gelingt es mir, interessante und einzigartige Arbeiten zu liefern.
Für das S-Magazin-Shooting wurde dir das S-System zur Verfügung gestellt. Wie waren deine Erfahrungen mit der Kamera, worin unterschied sie sich von anderen Systemen, und welche Auswirkungen hatte dies auf deine Arbeit?
Als stolzer Besitzer eines Leica M-Systems bin ich mir der unglaublichen Qualitäten der Konstruktion der Gehäuse und Objektive von Leica überaus bewusst. Von der S habe ich nichts Geringeres erwartet; ich erwartete das Beste und wurde nicht enttäuscht. Die S ist fantastisch, inspirierend, liegt gut in der Hand und ist hervorragend zu nutzen. Es mag lächerlich klingen, aber es ist für mich sehr wichtig, eine emotionale Bindung zu einer Kamera zu haben. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Assistent, fast ein Freund – also muss sie eine Persönlichkeit haben. Die Leica S ist einfach unwiderstehlich.
Ich habe auch eine Hasselblad; die Digital H ist mein Arbeitstier, sozusagen. Als modulares System fühlt sie sich allerdings etwas weniger robust an als die kompaktere Leica S. Ich denke, die S ist auch widerstandsfähiger, wenn es am Set mal rauer wird als erwartet. Dennoch muss ich zugeben, dass ich das 6 x 4,5-Bildverhältnis der Hasselblad vermisse – es eignet sich besser für die meisten Magazin-Layouts.
Beim 2 x 3-Verhältnis der Leica S muss ich das Bild oben und unten croppen, damit es in die Layouts passt. Das macht aber nichts, weil die hohe Auflösung das Zuschneiden einfach macht.