INTERVIEW
Elizaveta Porodina
Elizaveta Porodina Christina van Zon Stella von Senger Josef Beyer Andreas Huber Beatrice Schuell Veronika Rusakova @ M4 Models Leica S (Typ 007) mit Elmarit-S 1:2,8/45mm Asph. (CS), Summarit-S 1:2,5/70mm Asph. (CS) und Summicron-S 1:2/100mm Asph.
Mit „Re-Model“ kreierte die Münchner Fotografin Elizaveta Porodina eine malerische Geschichte rund um das Model Veronika Rusakova – eine sehr experimentell-emotionale Komposition über die Phasen menschlichen Erwachsenwerdens.
Du bist in Moskau geboren, lebst aber schon lange in Deutschland. Wie und auf welche Weise beeinflussen dich beide Kulturen, Traditionen, Sichtweisen, und wie spiegelt sich das in deiner Fotografie wider?
Die russische Literatur, die spürbare Melancholie und Schwere, die häufig bei Künstlern aus meiner Heimat im künstlerischen Ausdruck vorzufinden ist, habe ich definitiv mitgebracht. In Deutschland habe ich mein Studium als Psychologin angefangen und abgeschlossen – während dieses Studiums habe ich Kommunikationsfähigkeiten erworben, die mich viel von mir selbst und anderen Menschen haben verstehen lassen. Diese Fähigkeiten nutze ich tagtäglich in meiner Tätigkeit als Künstlerin.
Wann hast du gemerkt, dass du etwas anderes machen möchtest?
Während meiner Zeit als Psychotherapeutin in Ausbildung – als ich in einer geschlossenen Station einer Psychiatrie Klienten betreut habe. Ich habe meinen Beruf und meine Aufgaben sehr gern gemocht und die Behandlung der Menschen, die mir dort begegnet sind, haben mich sehr als Persönlichkeit wachsen lassen und mich viel über Menschlichkeit gelehrt. Jedoch habe ich während dieser Zeit deutlich gefühlt, wie meine Seele buchstäblich in Flammen aufgeht, wenn ich mich dem Fotografieren hingebe – dass ich es wahrhaftig schaffe, nur im Hier und Jetzt und im Moment zu existieren, wenn ich Bilder schaffe. Als mir das klar wurde, gab es keine Alternative mehr.
Du hast für das S Magazin „Re-Model“ fotografiert, eine Strecke die sich vielseitig diverser Perspektiven und Set-Designs bedient. Welcher konzeptionelle Ansatz steckt dahinter? Erzählst du in „Re-Model“ auch eine Geschichte? Wenn ja, worum geht es da?
Der Ansatz im konzeptuellen Sinne ist eng an die Geschichte gebunden, die ich in „Re-Model“ inszeniere. Es ist die Geschichte der „growing pains“, der Phase des menschlichen Wachstums und aller Emotionen, Schwierigkeiten, Schlüsselmomente und Nuancen, die damit verbunden sind. Momente der absoluten Klarheit treffen auf verschwimmende Grenzen, Zorn trifft auf Traurigkeit und Resignation, männliche Seiten auf weibliche – und manchmal ist zwischendurch etwas in einem, das man als monströs identifiziert, auf keinen Fall als Teil von einem selbst – und doch gehört auch das dazu.
Du bezeichnest oft die Models, mit denen du arbeitest, als Musen – wie wichtig ist das für dich, und welche Rolle spielte Veronika Rusakova in diesem Zusammenhang?
Diese Menschen sind meine Musen, ihre Persönlichkeiten sind Quellen meiner Inspiration, ihre Art ist das Thema meiner Arbeit. Ich bediene mich ihrer Individualität, ihrer Einzigartigkeit, ihrer Impulse, um einzigartige, spontane und echte Ergebnisse zu erzielen – deswegen haben meine Musen ihre Bezeichnung mehr als verdient. Auf Veronika trifft diese Beschreibung definitiv zu. Wir haben mittlerweile an insgesamt sechs Projekten gearbeitet, nachdem ich sie bei „Re-Model“ kennengelernt hatte und von ihrem passionierten, eher schauspielerischen Ansatz fasziniert war.
Woher nimmst du die Inspirationen für deine Geschichten, und wie setzt du die Ideen um? Weißt du vorher, wie ein Bild konkret aussehen soll, oder arbeitest du eher spontan?
Meine Inspiration und mein Grundansatz, meine Arbeit um die menschliche Persönlichkeit und ihre Besonderheiten anzusetzen, kamen teils aus meinem Studium und meinem früheren Job und teils aus dem tiefsten inneren Wunsch heraus, mein Wissen um das Phänomen Persönlichkeit und Identität immer weiter zu vertiefen und meine Erkenntnisse auf bewusster und unbewusster Ebene festzuhalten. Meiner Meinung nach eignen sich Bilder dazu sogar besser als schriftliche Aufzeichnungen, da Bilder die Mehrdeutigkeit und Ambivalenz eines solchen Phänomens eher widerspiegeln können als tausend Worte, die mir dazu einfallen würden.
Wie würdest du deinen Stil bezeichnen? Und merkst du, dass sich in den Jahren etwas in deiner Betrachtung der Dinge geändert hat? Hat sich dein Stil in der letzten Zeit stärker fokussiert, indem er mehr das Symbolische in den Mittelpunkt stellt?
Am ehesten würde ich meinen Stil als experimentell bezeichnen, aber „Dark Iconography“, der Name meiner ersten Solo-Ausstellung, die 2016 in Berlin stattfand, gefällt mir auch ausgesprochen gut. Die letzten drei Jahre brachten extrem viele persönliche Änderungen mit sich, ich habe viele Menschen und Sitten auf meinen zahlreichen Foto-Reisen kennen- und respektieren gelernt. Mit den neuen Erkenntnissen kam meine neue Weltoffenheit und mit ihr eine neue, auf Ehrlichkeit, Emotion und menschlichen Ausdruck reduzierte Ausdrucksform. Die Message, die Passion, die Menschlichkeit stehen jetzt eher im Mittelpunkt.
Wie würdest du die Arbeit mit der Leica S beschreiben. Hat sie besondere Eigenschaften, die auf deine Arbeit einen neuen Einfluss ausüben? Welche Bedeutung haben das Mittelformat und die Optiken?
Ohne schmeicheln zu wollen, muss ich sagen, dass ich in die Farbdynamik der Leica S verliebt bin, die Farben erinnern mich an moderne Gemälde, und bei der Herstellung meiner Looks, die ich experimentell angehe, stellen sich Ergebnisse in Farbtonalitäten und Farbzusammenhängen ein, die ich bis dato so noch nie gesehen hatte. Und da die Bilder so viele Informationen mitbringen, macht das Croppen umso mehr Spaß.