INTERVIEW
Ji+Doh
Leica S (Typ 007) mit Elmarit-S 1:2.8/45 ASPH. (CS), Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. (CS) und APO-Macro-Summarit-S 1:2.5/120 (CS)
Jidoh Tal Hendrickse, Harley Lough Andrew Gallimore Mark Francome Painter Vesa Perakyla Miyo Yoshida Anne Danao, Tanc Newbury Pia Gartner Grace Hatcher Nikolas Fotopoulos José Paulo Reis
Das Fotografenduo JIDOH hat sich erst 2019 zusammengetan. Mit der Leica S (007) haben die Fotografen ihre Vorstellung von der Figur des mittelalterlichen Hofnarren auf ihre Art zum Leben erweckt. Ihre Serie ist gespickt mit Zitaten aus Dandystil, Punk und Harlekin und zeichnet sich durch eine große stilistische Bandbreite aus. Die Serie ist kein Fashion-Shoot, sondern JIDOHs erste große Arbeit als Duo.
Im Gespräch erzählen sie, was sie inspiriert, was sie mit der Geschichte erzählen wollen und wie sie die Serie umgesetzt haben.
Eure Serie „Prince Jester“ ist sehr künstlerisch. Habt ihr eine Verbindung zu anderen Kunstformen? Wer oder was inspiriert euch?
Doh: Meistens Musik. Während der Produktionszeit ist es uns besonders wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der sich das Model in die Figur hineinfühlen kann. Wir glauben, dass Musik eines der wichtigsten Elemente am Set ist. Ji erstellt für jedes Shooting eine Musikauswahl, die zur richtigen Zeit für die richtige Atmosphäre sorgt.
Ji: Musik spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Konzeptentwicklung. Zum Beispiel entwickelten wir die Figur des Prince Jester auf der Basis des Musikvideos „Ganz Wien“ von David Loca und Geneva Jacuzzi. Wir beide waren vom Auftritt des Zauberers begeistert, insbesondere von seiner Mimik und seinen Posen in dem Video, und die Musik half uns, die Figur zu entwickeln.
Ist die Serie auf euer eigenes Betreiben hin entstanden, oder handelt es sich um eine Auftragsarbeit?
Doh: Es ist unsere eigene Arbeit.
Wann genau habt ihr „Prince Jester“ realisiert? Wie lang war die Produktionszeit? Wo habt ihr fotografiert?
Ji: Das Shooting fand am 27. September statt; die Produktion dauerte insgesamt drei Monate. Wir haben sowohl außerhalb als auch innerhalb des Cre8-Studios in East London fotografiert.
Ihr erschafft eine Fantasiewelt, in der Punk- und Dandymotive vorkommen, aber auch der klassische Harlekin – überall sind Rautenmuster. Welche Idee steckt dahinter?
Doh: Das Hauptmotiv dieses Projekts war der „Jester“ (Schelm/Hofnarr – Anm. d. Red.), eine historische Figur (Entertainer und Performer) im Mittelalter und in der Renaissance. Unser Konzept des Jester entwickelte sich aus verschiedenen Inspirationsquellen, darunter der Joker, der Harlekin, die Clowns und die mysteriösen Vorstellungen, die mit diesen Charakteren zu tun haben. Wir wollten mit der Sprache der Modefotografie unsere eigene Geschichte eines modernen Schelms erzählen.
In „Prince Jester“ kann man viele verschiedene künstlerische Techniken entdecken, darunter eine Collage, bei der ihr ein und dasselbe Motiv dreimal zusammenfügt. Was steckt dahinter?
Ji: Für mich ist diese Collage der experimentellste Versuch in der gesamten Serie. Das linke Bild unseres Models Harley, der einem mit seinem halb beleuchteten Gesicht entgegenschreit, wirkt sehr intensiv und ist schwierig mit anderen Bildern zu kombinieren. Als ich darüber nachdachte, wie ich diese gegensätzlichen Bilder zusammen präsentieren könnte, dachte ich mir, ich könnte sie einfach mehrmals kopieren und einfügen wie eine magische Karte oder wie wenn man Solitaire spielt und die Karten am Ende alle auf den Tisch fliegen. Das habe ich spontan und impulsiv mal eben so gestaltet. Es funktionierte gut mit Harleys schelmischem Lächeln und fügte der Geschichte etwas mehr Humor hinzu.
Erzählt uns noch mehr über den Protagonisten und seine Posen. Gibt es eine Handlung dahinter?
Doh: Als ich zu historischen Schelmenfiguren recherchierte, stieß ich auf einen Text darüber, wie Hofnarren als königliche Darsteller dazu tendierten, Monarchen zu imitieren und sich wie diese zu verhalten – also wie das Publikum, vor dem sie auftraten. Dies war ein unmittelbarer Moment der Inspiration, da ich mir einen Narren vorstellen konnte, der davon träumte, zum Prinzen zu werden. Und gleichzeitig konnte ich mir auch einen Prinzen vorstellen, der lieber das Leben eines Schelms führt als sein eigenes. So etwas wie die Geschichte „Der Prinz und der Bettelknabe“ („The Prince and the Pauper“ von Mark Twain – Anm. d. Red.).
Ji: Basierend auf dieser Idee haben wir versucht, die Aspekte des Prinzen und des Schelms zu kombinieren und eine Geschichte zu erfinden, in der unterschiedliche Emotionen wie Melancholie, Begierde, Wut, Manie und mehr zu sehen sind. So entstanden diese Stimmungen und Posen in den Bildern. Manchmal baten wir das Model, sich so elegant zu geben wie ein Prinz. Und manchmal versuchte das Model, herumzualbern wie ein Hofnarr.
Mit wem habt ihr bei dieser Serie zusammengearbeitet? Woher kennt ihr euer Team?
Doh: Ich habe das gesamte Team bei früheren Shootings kennengelernt und hatte das Glück, ein so talentiertes Team zu haben, das wieder mit mir zusammenarbeiten wollte.
Weshalb habt ihr die Bilder durch starke Kontraste und Unschärfen so surreal aussehen lassen?
Doh: Die bizarren Eigenschaften des Schelms haben uns definitiv dazu verleitet, surreale und manipulierte Bilder zu erstellen. Der starke Kontrast zwischen Licht und Farbe soll das Innenleben, vielleicht auch die Tragik von Prince Jester darstellen. Die Unschärfe oder Bewegungen, die als Unschärfe ausgedrückt werden, sollen die chaotische, dramatische oder auch heikle Beziehung zwischen dem Prinzen und dem Narren unterstreichen.
Ji: Es gibt ein Porträt mit einer Hand auf der rechten Seite des Bildes. Das war der Moment, als der Hairstylist Mark das Haarteil an Harley fixierte. Das Foto wurde tatsächlich zu Testzwecken aufgenommen, aber wir fanden das seltsame Nebeneinander von der zufällig auftauchenden Hand und Harleys leerem Gesichtsausdruck großartig. Am Ende haben wir dieses Bild mit in die endgültige Auswahl genommen, da dieser unerwartete surreale Moment die Geschichte interessanter werden ließ.
Die Serie ist eine Mischung aus Schwarzweiß- und Farbbildern. Wann bevorzugt ihr Schwarzweiß?
Doh: Wenn wir auf Schwarzweiß gehen, können wir mehr herumexperimentieren, um die Geschichte zu erzählen.
Verwendet ihr nur Tageslicht oder auch Blitzlicht?
Doh: Wir haben beides verwendet, da wir am liebsten verschiedene Lichtquellen mischen.
Welche Kamera und welche Objektive habt ihr eingesetzt?
Ji: Wir haben hauptsächlich mit der Leica S 007 und dem Summarit-S 70mm, dem Elmarit-S 45mm, dem Summicron-S 100mm und dem Apo-Macro Summarit S 120mm gearbeitet.
Was hat euch an der Kamera gefallen? Für welchen Zweck habt ihr welche Objektive ausgewählt?
Doh: Im Vergleich zu anderen von mir verwendeten Mittelformaten ist der Body kompakt und solide. Die Objektive sind präzise, arbeiten effektiv und liefern scharfe und starke Bilder. Ich habe für diese Serie hauptsächlich 45-mm- und 70-mm-Objektive verwendet, aber auch 100 mm für Porträts und 120 mm gern bei Nah- und Detailaufnahmen.
Habt ihr schon Ideen für weitere Projekte?
Wir wollen noch in diesem Monat mit Musikern und Künstlern fotografieren. Wir arbeiten gerade nicht nur an verschiedenen Editorials und Kampagnen, sondern bereiten auch ein persönliches Projekt zum Thema Androgynität vor.