INTERVIEW
Rhys Thorpe
Eine Fotoserie mit der amerikanischen Tänzerin Martha Graham war die unmittelbare Inspiration für Rhys Thorpes „Primitive Mysteries“, worin Nassia Matsa in die Rolle der Ikone des Modern Dance schlüpfte – in kraftvollen Tanzposen arrangiert Thorpe unkonventionelle Schönheit in aussagekräftigem Schwarzweiß.
Wie hast du zur Modefotografie gefunden?
Als ich damals nach London zog, hatte ich das große Glück, eine feste Stelle in einer erfolgreichen Werbefirma zu bekommen. In diesem abwechslungsreichen Umfeld kam ich mit einer großen Vielfalt verschiedener Bildstile in Kontakt und bemerkte, dass ich zunehmend Aspekte der Modefotografie in meine Bildsprache integrierte. Ich fing an, meine eigenen Modeprojekte zu produzieren, und war begeistert von dem Gefühl, gemeinsam mit einem Team Bilder und Geschichten aus dem Nichts zu erschaffen.
Dein persönlicher Stil ist nicht kommerziell im herkömmlichen Sinn. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil in deiner Branche?
Kommerzielle Klienten beauftragen einen Fotografen genau deshalb, weil ihnen sein Stil zusagt – und dieser wird dann im vom Klienten vorgegebenen Kontext angewandt. Das kann allerdings den Markt für den Fotografen etwas einengen. Wenn deine Bildsprache aber zu kommerziell ist, entgehen dir wiederum gewisse Klienten. Im Moment herrscht in der Werbefotografie eine sehr Editorial-zitierende Ästhetik vor. Das heißt, Klienten sind weniger an perfekten Hochglanzbildern interessiert; stattdessen ist es besonders wichtig, etwas zu produzieren, das sich für einen selbst als Künstler stimmig anfühlt, und somit dem Klienten etwas Einzigartiges zu liefern. Ich denke, meine Arbeit ist recht gut zwischen diesen zwei Welten positioniert.
Wie wichtig war es für dich, dieses Projekt ohne limitierende Vorgaben verwirklichen zu können?
Frei von festgelegten Anforderungen und Einschränkungen zu arbeiten führt unweigerlich zu kreativeren und interessanteren Resultaten; man hat die Freiheit, auf das zu reagieren, was sich während des Shootings ergibt, und der gesamte Vorgang wird zu einem wahrhaftig gemeinsamen Projekt das sich entwickelt, während die Bilder entstehen.
Du hast für das S Magazin eine Studioserie in Schwarzweiß fotografiert. Worum geht es darin?
Die Inspiration für dieses Projekt waren historische Fotografien der amerikanischen Tänzerin Martha Graham. Die Entscheidung, in Schwarzweiß zu arbeiten, gab uns die Möglichkeit, uns ganz auf die Bewegung und das umwerfende Set zu konzentrieren. Und es entsprach der monochromen Ästhetik unseres anfänglichen Bezugspunktes.
Nassia Matsa ist ein außergewöhnliches Model. Was schätzt du an ihr?
Nassia ist wunderbar. Ich habe keinerlei Interesse an dem gängigen, in der Fotografie und den Medien vorherrschenden Schönheitsideal. Es passt nicht zu meinem Stil und scheint in diesen Zeiten einfach vollkommen irrelevant. Nassia hat einen zutiefst faszinierenden und ungewöhnlichen Look, aber noch ausschlaggebender ist, dass sie sich voll und ganz auf dieses Projekt einließ und genau erfasste, was wir erreichen wollten und warum. Wenn ein Model auf diese Art reagieren kann, sind reine Äußerlichkeiten zweitrangig.
Du hast die Strecke mit der Leica S im Mittelformat fotografiert. Wie hat sie sich bei diesem Projekt bewährt?
Es war großartig, mit der Leica S zu arbeiten. Ich bin beim Fotografieren meistens in Bewegung, weshalb mir ein schneller und präziser Autofokus sehr wichtig ist. Und die Dateigröße macht es möglich, die Bilder beliebig zu drehen und zuzuschneiden.
Welches persönliche Projekt hast du als Nächstes geplant?
Ich arbeite gerade an einer Serie von Stillleben, inspiriert von der Arbeit des belgischen Künstlers Francis Alÿs. Die Grundideen seiner Arbeiten scheinen so mühelos, aber die Resultate sind episch.