INTERVIEW
Diane Betties
Mit einer Leica SL, einer Tasche voller Strandkleidung hochwertiger Labels und einem griechischen Model begab sich die Modefotografin Diane Betties Ende Januar 2020 an den Stadtstrand von Athen in Paleo Faliro. Trotz der kühlen Temperaturen kamen Bilder zustande, die die Wärme und das ungewöhnliche Licht des Südens einfangen.
Im Gespräch gibt sie Einblicke in die Entstehung der hier gezeigten Strecke und erzählt, woher sie ihre Ideen nimmt und wie wichtig das richtige Zusammenspiel mit dem Model für ihre Arbeit ist.
Wie kommt man dazu, im Winter ein Projekt am Strand zu produzieren? Was war die Idee dahinter?
Es handelt sich hierbei um ein kleineres persönliches Projekt, das ich während zweier größerer Produktionen in Athen Ende Januar fotografiert habe. Inspiration war der Stadtstrand von Athen in Paleo Faliro. Ich mag die in den 1960er- und 70er-Jahren entstandenen Wohnhäuser im Hintergrund und die Stimmung, die sie transportieren. Man fühlt sich in dieser Stadt zurückversetzt wie in einer Zeitkapsel. Ich liebe die 70er und 80er sehr, und diese Stimmung wollte ich einfangen und gleichzeitig die Brücke schlagen zu dem unkonventionellen Stil der jüngeren Generation. Mein Team und ich haben in dieser Strecke spontaner reagiert und uns von den örtlichen Gegebenheiten inspirieren und treiben lassen, aber dennoch versucht, die Bildsprache modern zu belassen. Es gab eine ungefähre Idee, die sich im Laufe des Shootings manifestiert und ausgestaltet hat. Diese Freiheit hat man nicht immer, deswegen liebe ich dieses Shooting besonders.
Wir sehen, dass du ausschließlich mit natürlichem Licht arbeitest; warum ist natürliches Licht so entscheidend für deine Art des Arbeitens?
Mir geht es darum, in meinen Bildern eine Stimmung zu erzeugen, und gerade natürliches Licht hat die Eigenschaft, den Betrachter in seinen Bann zu ziehen. Natürliches Licht ist dynamisch und wird selten langweilig. Daher liebe ich es so sehr, damit zu arbeiten. Jeder kennt das, es gibt diese magischen Momente, wenn das Licht die Umgebung verzaubert und man einfach den Atem anhält. Durch die Wahl des Standorts oder der Tageszeit kann ich in meiner Bildkomposition genau beeinflussen, wie Licht und Schatten auf das Motiv treffen. Dadurch kann ich mein Motiv herausarbeiten beziehungsweise in Szene setzen und gezielter eine Stimmung erzeugen oder eine Geschichte erzählen.
Welche Rolle spielt das Model dabei? Größtenteils sind keine steifen Posen zu sehen, sondern natürliche.
Meine Inspiration steht und fällt mit der Wahl des richtigen Models. Ich hatte mich für ein Mädchen aus einer lokalen Agentur entschieden, ohne Vorab-Casting, und war unglaublich erleichtert, dass mich mein Bauchgefühl nicht getäuscht hatte. Die Chemie stimmte einfach sofort. Schönheit ist definitiv nur ein kleiner Teil des großen Ganzen – zumal Schönheit auch im Auge des Betrachters liegt. Für mich sind Charisma, Charakter, Persönlichkeit und Einstellung zum Projekt oder Job entscheidender als das perfekte Gesicht oder die perfekte Figur. Das Zwischenmenschliche zwischen dem Fotografen und dem Model ist wichtig – ich muss immer ein bisschen verliebt sein, sonst funkt es nicht im Bild (lacht). Perfektion ist nicht immer spannend.
Du hast diesmal mit einer SL und einem Vario-Elmarit-SL 1:2,8–4/24–90 mm Asph. gearbeitet. Was hat dir an dem System gefallen?
Da ich viel für meine Arbeiten reise, vor Ort fotografiere und oftmals auch mit unterschiedlichen Witterungsbedingungen zu kämpfen habe, brauche ich eine Kamera, die robust ist und all das sehr gut wegsteckt. Gewicht spielt bei mir ebenfalls eine große Rolle, wenn ich mich für eine Kamera entscheide, und ich war mehr als positiv überrascht, als die SL zum Einsatz kam. Die Kamera liegt gut in der Hand, die Bedienung ist ein Kinderspiel. Da ich als Frau kleinere Hände habe, könnten die Funktions- und die Fünf-Wege-Taste aber gern weiter rechts liegen (lacht).
Und deine Erfahrungen mit dem Objektiv?
Normalerweise nutze ich überwiegend Festbrennweiten für meine Arbeit. Da ich aber für meine Shootings in Athen Flexibilität benötigte, hatte ich mich für das Telezoom entschieden. Meine anfänglichen Bedenken waren weggeblasen, als ich die Gesamtqualität der Bilder sah. Die SL ist eine fantastische Kamera, die mir erstklassige Ergebnisse geliefert hat – das Farbrendering! Wow! Das Zoomobjektiv bietet genau die Vielseitigkeit, die ich zu finden gehofft hatte –als Weitwinkel über den Dächern Athens, aber auch in räumlich engen Verhältnissen. Da ich nicht unbedingt mit einer extremen Freistellung meiner Motive arbeite, war ich ebenfalls überrascht, wie gut ich es als Porträtobjektiv einsetzen kann.
Wie entwickelst du deine Konzepte für Fotoaufträge?
Die Art der Vorbereitung sind projekt- und kundenbezogen. Moodboards dienen mir oft als Basis für den kreativen Prozess des Storytellings – hier sammle ich Farben, Texturen und Bilder und forme und visualisiere meine Idee. Sie helfen mir, beim Kunden oder beim Team das Konzept beziehungsweise das Narrativ in seiner möglichen Ausführung zu präsentieren und abzustimmen. Sie erlauben quasi den Blick in meinen Kopf – und visualisieren meine stilistischen und ästhetischen Vorstellungen vom Projekt.
Und wie sieht es bei persönlichen Projekten oder Initiativprojekten aus?
Für persönliche Projekte und Editorials habe ich ein Scrapbook. Darin sammle ich alles, was mir gefällt und irgendwie interessant und inspirierend ist. Das geht von Texturen und Farben über Licht und Kompositionen bis hin zu Architektur oder Filmszenen … einfach alles, was mir gefällt. Das Buch lebt vom Austausch und Ersetzen der Bilder. Durch die Änderung und Anordnung entstehen oftmals neue Bildideen. Es hilft mir, meine Kreativität weiterzuentwickeln und unabhängige Ideen zusammenzuführen und miteinander zu verknüpfen.
Du beschäftigst dich bestimmt auch mit Kunst. Ist das eine wichtige Inspirationsquelle für dich?
Ich bin wie ein Schwamm, ich sauge alles auf, was mich auch nur im Geringsten interessiert (lacht). Aber oftmals kommt meine Inspiration von abstrakten Landschaften, ungewöhnlichen Orten, Architektur und dem Model. Ich liebe die Foto- und Gemäldeabstraktionen von Gerhard Richter genauso wie die Werke von Klimt, Schiele, Freud, sowie die Porträts von Laura Knight, aber inwieweit sie mich in meiner Arbeit beeinflusst haben, vermag ich nicht zu sagen.
Wie wird es bei dir weitergehen, kannst du schon etwas über künftige Projekte verraten?
Andreas Nowak von der Band Silbermond und ich haben für die arabische „Vogue“ gemeinsam an einem dreiminütigen Kurzfilm gearbeitet, bei dem ich die Regie übernommen habe. Ich fand diese Art des Storytellings unglaublich spannend und kann mir vorstellen, zukünftig mehr an filmischen Projekten zu arbeiten. Ich bin außerdem ein großer Fan der Luftbildfotografie und plane gerade, inwieweit ich dies für meine Projekte umsetzen kann. Parallel arbeite ich an meinem laufenden Buchprojekt „Nude or Nothing“.