Digitale FeaturesFrozen RopeDavid Yeo
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Frozen Rope · David Yeo 1 / 1
Interview

INTERVIEW

David Yeo

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Fotografie David Yeo DOP Ben Marshall Fotoassistenz Alex Forsey Haare Jason Goh Make Up David Gillers Studio YoYo Studios Kamera Leica S2 mit APO-Macro-Summarit-S 1:2.5/120 (CS), Summicron-S 1:2/100 Asph., Summarit-S 1:2.5/70 Asph. (CS), Summarit-S 1:2.5/35 Asph. (CS)

Schönheit kann alles bedeuten, sagt der Fotograf David Yeo. Seine Serie – aufgenommen in London, kurz nach dem Lockdown und mit viel Licht – erzählt von seiner Idee, dass Schönheit in jedem Menschen zu finden ist.

Was ist deine Vorstellung von Schönheit?
Die Frage führt mich zu einem Buch, das von einem meiner Lieblingsfotografen, Nadav Kander, unter dem Titel „Schönheit ist nichts“ veröffentlicht wurde. Schönheit ist subjektiv und lässt sich nicht in eine Kategorie einordnen. Schönheit ist nichts, denn in ihr liegt alles. Genau diese Vorstellung hat mich zur Beauty-Fotografie gebracht; merkwürdigerweise, denn Nadav Kander ist eigentlich kein Schönheitsfotograf. Ich habe ihn kennengelernt, als ich gerade meine Karriere begann, wir haben ein Gespräch in der National Portrait Gallery in London geführt, wo er und seine Arbeit mich fasziniert haben. Ich war bewegt von den Motiven, die er zum Fotografieren auswählte, und die mir offenbarten, dass in jedem Menschen Schönheit steckt.

Worin liegt dein Anspruch als Beauty-Fotograf?
Das Licht ist meine Leidenschaft, und mein Ziel ist es, die Seele zu zeigen, Emotionen zu erzeugen. Die Geschichte von jemandem hinter der Ästhetik zu erzählen. Einmal musste ich einen Musiker fotografieren, und es war eine äußerst bizarre Erfahrung, denn es gab nur eine Art von Beleuchtung, die aussagekräftig war. Manchmal passt nur eine bestimmte Art von Licht zu einer Person, und das war das erste Mal, dass ich darüber nachdachte, dass die Beleuchtung definiert, wer hinter dem Motiv steckt. Man kann die ganze Persönlichkeit eines Subjekts in der Art und Weise, wie es beleuchtet wird, erkennen. Es muss nur alles perfekt sein, um einem Wesen gerecht zu werden.

Der Fotograf Vernon Trent sagte einmal: „Profis sorgen sich um Geld, Meister sorgen sich um Licht“ …
Ich liebe dieses Zitat und stimme ihm zu. Licht ist Drama, Licht ist Atmosphäre, Licht ist das, was das Bild ausmacht. In unserer Branche kann man sich nicht auf das Geld konzentrieren, denn das würde eher diktieren, was für ein Fotograf man ist, als dass man als Fotograf entscheidet, was und wie man fotografiert.
 
Deine Farbkompositionen sind recht auffällig, vor allem die farbliche Einheit zwischen Hinter- und Vordergrund. Ist dir Harmonie wichtig?
Farbe hilft mir zu verstehen, was ich kreiere. Und sie erzählt eine Geschichte, genau wie eine Reihe von Kapiteln in einem Buch eine Geschichte ausmacht. Ich mag die Harmonie zwischen Hinter- und Vordergrund, sie fühlt sich für mich visuell korrekt an. Bei diesem Shooting war ich fest entschlossen, einen entsättigten, nicht lebendigen Look zu produzieren. Wie auch immer, manchmal nimmt die Kreativität einfach ihren Lauf …

Deine Bilder sind alle im Studio entstanden – wie war der Prozess?
Der Prozess ist normalerweise ziemlich kompliziert und bereitet mir viel Kopfzerbrechen! In diesem Fall gab es für das Shooting 16 Spiegel, die das Licht reflektierten. Dennoch – mir gefällt die Kontrolle über die Aufnahmen in meinem Studio. Es ist ein Tageslichtstudio. Einmal habe ich den Fehler gemacht, ein Shooting zu planen, bei dem die Sonne durch das Fenster scheint – und das in London, wo sie typischerweise unberechenbar und unzuverlässig ist. Und als das Model gerade für das Shooting bereit war, verschwand die Sonne natürlich. Danach hatte ich eines meiner stressigsten Erlebnisse. Ich versuchte, das Sonnenlicht zu reproduzieren. Die Stylistin wirbelte in einem knappen Zeitraum wie der Wind, um die verschiedenen Looks anzuprobieren. Am Ende hatte ich alles gerettet, war aber um fünf Jahre gealtert. Jetzt stelle ich sicher, dass ich für jedes Shooting ein solides Set-up habe. Vor dem Shooting arbeite ich drei bis vier Stunden, um das Licht zu gestalten.

Wie gehst du mit Auftragsarbeiten um? Inwiefern kommt dabei deine eigene Kreativität ins Spiel?
Damit ein großes oder kleines Shooting ein Erfolg wird, muss zwischen allen Mitgliedern der Crew großes Verständnis und Vertrauen bestehen. Storyboards sind die Grundlage des Shootings, sie bestimmen den gemeinsamen Weg. So arbeiten wir vor einem Shooting wochenlang als Team daran, dass wir uns in unserer Kreativität einig sind und wir alle maximalen Input bekommen. Meine Kreativität kommt vom Anfang bis zum Ende des Shootings ins Spiel, sie entfaltet sich während des Prozesses. Ich beziehe mich hauptsächlich auf die bildende Kunst und den Film.

Du hast deine Bilder mit einer Leica S2 aufgenommen, deiner Lieblingskamera, die du schon seit geraumer Zeit benutzt …
Die Leica S2 ist die analogeste Kamera, die mir je begegnet ist, eine Mittelformatkamera, die sich wie eine Kleinbild-Spiegelreflexkamera anfühlt. Sie erinnert mich an die Zeit, als ich auf Film fotografierte, und kommt der analogen Hasselblad in der Qualität am nächsten. Sie ist kein Computer, der als Kamera daherkommt, sie ist sehr manuell und leicht zu bedienen. Die S-Objektive sind die besten der Welt. Meine erste Leica-Kamera war nicht annähernd wie die S2, es war eine M6, eine sehr kleine, leichte Messsucherkamera mit einem völlig anderen Verfahren. Aber sie hat mich mich in die Leica verlieben lassen, und ich habe viele Jahre lang alles Mögliche und Persönliche mit ihr fotografiert.

Was bedeutet der Titel deiner Serie, „Frozen Rope“?
Die Idee für den Titel und das Thema dieses Shootings ergab sich aus dem aktuellen globalen Kampf, den wir alle führen. Das Projekt ist kurz nach dem monatelangen Lockdown in London entstanden. Es wird durch eine Person dargestellt, die in einem imaginären kalten Abgrund ums Überleben kämpft. Das Seil fungiert als eine Art Rettungsleine, die hineingeworfen wird, doch ist es eingefroren, sodass es fast unmöglich ist, sich daran festzuhalten. Es ist völlig steif – im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Seil, das flexibel ist und das man halten und greifen kann.

Was fasziniert dich an der Beauty-Fotografie?
Normalerweise gibt es nur einen einzigen Beauty-Shot in einer Fashion-Story, und es ist immer das Bild, das mich am meisten überzeugt. Die Emotion ist reiner, wenn man näher herangehen kann, intimer. Durch meine Arbeit an Porträtserien war ich schon immer von der Geschichte hinter einem Gesicht fasziniert, und die Idee, dass man diese Geschichte mit einem einzigen Bild erzählen kann, ist sehr kraftvoll. Beauty-Fotografie kann alles bedeuten. Manchmal ist ein Bild nicht konventionell schön, sondern es ist roh und wahr, und es ist diese Wahrheit, die schön ist.