INTERVIEW
Michał Massa Mąsior
Leica S (Typ 007) mit Vario-Elmar-S 1:3.5-5.6/30-90 ASPH. und Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. (CS) und Leica Q
Michał Massa Mąsior Paweł Piotr Polak (AS Management) Alicja Schwertner-Ochmańska (Womanhood Studio) Marcin Wypych (Mustwear MW)
Michał Massa Mąsior erzählt in seiner Strecke die Geschichte eines nonkonformistischen Vagabunden, der fern der modernen Leistungsgesellschaft lebt. Entstanden ist ein dynamisches Feature mit düsteren, rauen Farben und coolen Posen.
Was kannst du uns über diese Story sagen? Was ist das Leitmotiv deiner Geschichte?
Ich wollte einen Vagabunden zeigen, einen Mann der Straße, der nicht an ein Leben angepasst ist, das nach den Regeln der großen Konzerne abläuft. Dafür habe ich ihn in die Umgebung eines modernen Bürohauses gesetzt. Die heutigen Bürogebäude sind eigentlich so konzipiert, dass sich die Angestellten darin wohlfühlen sollen. Auflockernde Graffiti, Spiele, separate Ruheräume, eine familiäre und freundliche Atmosphäre. Aber es sind weiterhin bloß gewöhnliche offene Räume, ein Open-Space-Office, mit fehlender Privatsphäre, mit Schranken und Türen, die mit einem elektronischen Badge geöffnet werden. Ein Arbeitsplatz mit einem Stuhl und einem Computer. Die gleiche Tretmühle und der gleiche Kampf um höhere Gehälter.
Dies ist ein Weg, um ziemlich schnell Karriere zu machen, doch die Nichtangepassten enden oft mit schweren Depressionen und Familienproblemen. Der Held meiner Story sieht das alles anders. Einerseits verspottet er diese Situation, andererseits versteht er sie nicht, weil er nach seinen eigenen Regeln lebt.
Düster und entfremdet erscheint die Location, die du für das Shooting ausgesucht hast. Was ist das für ein Ort, und wie bist du darangekommen?
Seit einigen Jahren fotografiere ich auch Architektur. Ich wurde beauftragt, Werbeaufnahmen eines neuen Bürogebäudes in Krakau zu erstellen. Als ich das erste Mal vor Ort war, um die Lichtverhältnisse zu begutachten, sah ich, dass das Gebäude noch nicht fertiggestellt war. Im Inneren war es düster, die Wände waren mit Folien und Platten abgedeckt. Also dachte ich, dass die Architekturaufnahmen noch ein, zwei Wochen warten können, aber stattdessen eignet sich der Raum fantastisch für Modefotografie. Nun galt es, keine Zeit zu verlieren. Ich wusste, dass das Gebäude mit jedem Tag mehr und mehr „zivilisiert“ aussehen würde. Ganz aufgeregt rief ich das Model an, das ein paar Stunden zuvor für mich posiert hatte, und bestellte einen Stylisten und eine Visagistin. Den Architekturkunden habe ich angefleht, nichts in der Lobby zu verändern und dass ich sie für ein privates Projekt nutzen darf. Zwei Tage später waren wir am Set und machten Fotos.
Apropos Model: Dein Model strahlt für die Geschichte die nötige Dosis Coolness, Aggression und Distanz aus, und mit seinen markanten Gesichtszügen verkörpert er gut die Rolle des unangepassten Vagabunden. Wie ist die Arbeit mit ihm gelaufen?
Krakau ist nicht nur ein immer beliebteres Touristenziel, sondern auch ein immer beliebterer Arbeitsplatz. Auch die Modefotografie profitiert von dieser Entwicklung. Allerdings haben die meisten der lokalen Agenturen immer noch überwiegend Models mit mitteleuropäischen Gesichtszügen im Portfolio. Wenn ich also ein Model mit etwas anderen oder ungewöhnlicheren Zügen vor die Kamera stellen kann, ist es für mich ein Fest! Paweł (Piotr Polak, das Model; Anm. d. Red.) erinnerte mich an die Helden in Guy Richies Filmen. Ich hatte schon früher mit ihm zusammengearbeitet, und wir verstehen uns ausgezeichnet. Er arbeitet sehr bewusst und bringt immer gute eigene Ideen ein. Er geht auch sehr bewusst mit seinem Körper um und weiß seine aggressiven Nuancen einzusetzen. Das Lustige ist aber, dass er in Wirklichkeit ein ruhiger, sehr kultivierter Kerl ist. Es war sicherlich auch nicht unsere letzte Zusammenarbeit.
In deiner Serie gibt es mehrere Porträts. Ich habe das Gefühl, dass dir dieses Genre sehr liegt. Wie gelingt es dir, künstlerischen Ehrgeiz mit den Anforderungen kommerzieller Projekte zu verbinden?
Ich mag Porträtfotografie wirklich sehr gern. Manchmal sogar zu gern, weil sie mich in meiner Arbeit ein wenig einschränkt. Natürlich könnte ich an dieser Stelle sagen, dass dies mein Stil ist, aber offen gesagt, würde ich die Welt lieber breiter betrachten. Vor allem, weil ich nicht gern mit Objektiven mit langer Brennweite arbeite.
Ich führe ein Notizbuch, in dem ich meine Ideen aufschreibe. Ich versuche auch immer, meine Vorsätze für das nächste Shooting darin festzuhalten. Gewöhnlich fange ich mit dem Satz an „Richte deinen Blick in die Breite, du Idiot.“ Aber Fashion-Shootings verlaufen oft schnell und sind sehr dynamisch, sodass ich nicht immer die Zeit dazu finde, in meine Notizen zu schauen. (lacht)
Mit kommerziellen Kunden arbeite ich viel strukturierter. Ich versuche sicherzustellen, dass jedes Element der Idee und des Storyboards vom Kunden akzeptiert wird. Auf der einen Seite will ich die Arbeit immer so ausführen, dass ich am Ende stolz darauf bin, auf der anderen Seite sichert die Fotografie meinen Lebensunterhalt – am Ende muss jemand das Material abnehmen und dafür bezahlen. Also muss ich ein wenig flexibel denken. Mit meiner fortschreitenden fotografischen Entwicklung versuche ich jedoch immer mehr, meine Ideen durchzusetzen.
Man hört, dass deine Arbeiten demnächst in einer der bedeutendsten Galerien in Warschau ausgestellt werden. Könntest du uns schon mehr darüber erzählen?
Ich bin eine einjährige Kooperation mit einer führenden polnischen Kuratorin eingegangen. Tatsächlich basiert unsere Idee für eine Ausstellung auf einem der in dieser Session enthaltenen Fotos. Wir planen sogar, Paweł stärker einzubringen. Ich möchte aber noch nicht zu viel über dieses Projekt verraten. Wir haben gerade erst angefangen, daran zu arbeiten. Ich versuche jedoch, das Projekt möglichst ehrlich und persönlich zu gestalten. Natürlich werde ich das S Magazin über alles informieren.
Welche Ausrüstung und welche Objektive hast du bei diesem Shooting verwendet? Wie bist du mit der Lichtsituation umgegangen? Hast du ausschließlich mit Available Light gearbeitet?
Und zum Schluss die Werbefrage! (lacht) Aber im Ernst, ich wiederhole es bei jeder Gelegenheit: Leica ist die komfortabelste Ausrüstung, mit der ich je arbeiten konnte. Bei diesem Projekt arbeitete ich mit der Leica S (007), dem Elmarit-S 1:2.8/45 ASPH. (CS) und dem Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. (CS). Ich habe ausschließlich das vorhandene Licht verwendet. Der große Vorteil des S-Systems ist, dass es mit hoher Lichtempfindlichkeit hervorragend zurechtkommt. Ich habe keine Bedenken, mit ISO 3200 zu arbeiten: Die Arbeitsgeschwindigkeit und die Ergonomie einer klassischen DSLR ermöglichen es, auch in dynamischen Szenen mit dem Mittelformat zu arbeiten. Und ich bin mal gespannt, was die neue Leica S3 mit sich bringt.