INTERVIEW
Benjamin Tietge
Benjamin Tietge Kamran Rajput Siobhan Jessica Furlong mit Produkten von MAC Scott Jordan @ Taylor Taylor mit Produkten von Bumble & Bumble Dasha @ Wilhelmina David Jenewein Hugo Boss KAMERA Leica S (Typ 006)
Kreis, Drei- und Viereck, die Grundelemente der Bauhaus-Bewegung der 20er-Jahre, sind das gestalterische Gerüst für „Bauhaus“ von Benjamin Tietge. Die Lichtsetzung und die statischen Posen des Models Dasha stellen den Bezug zu expressionistischen und experimentellen Filmen der Ära her.
Du hast als erster Assistent jahrelang mit vielen renommierten Modefotografen zusammengearbeitet. Wer hat dich am nachhaltigsten beeinflusst?
Ich glaube die Frage kann man nicht so einfach beantworten. Jeder Einzelne war auf seine Art und Weise beeindruckend, deshalb verfügen sie auch seit langer Zeit über ihr Renommee. Ich blicke immer sehr gern auf diese Zeiten zurück. Ich habe von jedem etwas gelernt und etwas mitgenommen und fühle mich sehr geehrt, ein Teil dieser Arbeit gewesen zu sein und auch einen großen Teil dazu beigetragen zu haben, die Visionen zu realisieren. Aber letztendlich begann es, als ich vor langer Zeit in einem kleinen Still-Life-Studio in Altona angefangen hatte. Damit will ich sagen, dass mich fast jeder Fotograf, dem ich länger assistiert habe, zu dem Zeitpunkt beeindruckt hat und es zum Teil auch heute noch tut.
Nach so vielen großen Namen – wie war es für dich, jetzt auf eigene Faust zu arbeiten, selbst anzufangen? Welche Schwierigkeiten hattest du zu überwinden?
Es war natürlich eine sehr große Umstellung, man fängt wieder ganz von vorn an. Auch wenn der eine oder andere Name eventuell ein Türöffner ist, musst du mit deiner Arbeit am Ende doch allein überzeugen. Dabei ist es egal, wer auf deinem CV steht. Der Anfang ist schwer. Egal was man macht, man darf nur nicht aufgeben.
Inwieweit haben dich diese Star-Fotografen stilistisch beeinflusst, und hast du deine eigene Handschrift schon gefunden? Kann man sagen, dass dich einer deiner früheren Arbeitgeber in besonderer Weise geprägt hat und als Orientierung dient?
Wie schon vorher erwähnt, haben mich fast alle Fotografen, denen ich assistierte, beeinflusst und das schon von Anfang an. Aber natürlich hoffe ich, dass ich früher oder später an meiner eigenen Handschrift erkannt werde und es nicht heißt: „Ah ja, er ist der alte Assistent von Soundso.“ Wenn ich nicht fotografiere oder mit der Postproduktion beschäftigt bin, betreibe ich viel Recherche in Museen, Galerien, im Kino, Theater, Ballett oder in der Musik, aber manchmal auch einfach nur auf der Parkbank. Am liebsten suche ich meine Inspirationsquellen im Leben. Das Leben dient mir als Orientierung.
Wie würdest du deinen momentanen Stil beschreiben, und in welche Richtung willst du gehen?
Ich versuche, mit jedem Foto einen Moment zu kreieren, manche mehr abstrakt, manche real und nah. Diese Momente möchte ich mit dem Betrachter teilen und ihn quasi an meine Stelle setzen und somit direkt teilhaben lassen. Wenn ich dies noch in zehn Jahren sagen kann, bin ich sehr glücklich.
Worum geht es in der Serie, die du für das S Magazin fotografiert hast? Welche Funktion haben die geometrischen Komponenten des Hintergrundes?
Das Konzept, mit dem ich in dieser Serie variierte, waren die Grundelemente des Bauhauses, der Kreis, das Dreieck und das Viereck. Aber anstelle eines realen Sets wollte ich das Schlüsselelement der Fotografie – das Licht – benutzen, um sie zu kreieren. Das Model, das statisch und fast steif wirkt, ist eine Anlehnung an die dramatischen Darstellungen der damaligen Fotos, aber auch der ersten Stummfilme der Expressionisten oder der experimentellen Filme des Bauhauses. Mit dem Spiel von Licht und Schatten, respektive dem Schatten des Models auf dem Hintergrund, wollte ich die Fotomontagen von László Moholy-Nagy, einem sehr wichtigen Fotokünstler der Bauhaus-Bewegung, integrieren.
Inwieweit nimmst du Einfluss auf die Postproduktion? Machst du das selbst?
Ab und zu schon, aber es kommt darauf an, wann eine Deadline gesetzt ist und wie viele Jobs ich vor und hinter mir habe. Generell bin ich aber kein großer Fan der Retusche und versuche, das Foto direkt am Set und in der Kamera zu kreieren. Natürlich geht das nicht immer, und dann mache ich es entweder selber, wenn ich die Zeit habe, oder ich gebe es jemandem, dem ich vertraue. Aber auch hier handhabe ich es häufig wie früher mit einem Printer und sitze dann mit dem Retuscheur für eine gewisse Zeit zusammen.
Du hast ja in deiner Laufbahn als erster Assistent mit sehr viele Kamerasystemen Kontakt gehabt, darunter auch mit diversen Leicas. Was ist deine Meinung zur S 007? Für wen ist sie das richtige Werkzeug?
Ich habe mich schon riesig gefreut, als die erste S herauskam, und bei der 007 gab es dann wiederum einige schöne Updates. Was ich an Leica-Kameras generell liebe – ich bin auch ein sehr großer Fan und Benutzer der M-Serie – ist ihre Simplizität. Ich möchte eine Kamera, bei der ich die Blende einstelle, die Verschlusszeit und den ISO-Wert, alles andere und der ganze Schnickschnack an Kameras stört mich nur, das brauche ich nicht und will ich auch nicht, und das hat Leica wie immer perfektioniert.
Welche der S-Objektive benutzt du am liebsten?
Kommt natürlich immer auf die Situation an, aber generell mag ich es immer etwas weitwinkliger.
Wie siehst du deine Zukunft aus fotografischer Sicht?
Hier möchte ich mit einem Zitat von Henri Cartier-Bresson enden: „We must avoid however, snapping away, shooting quickly and without thought, overloading ourselves with unnecessary images that clutter our memory and diminish the clarity of the whole.“