INTERVIEW
Isabella Lombardini
Die erfolgreiche und bekannte Geschäftsfrau Alana Hadid lebt in Hollywood ihren Traum – in „A Woman of Hollywood“ subtil monochrom und authentisch in Szene gesetzt von Isabella Lombardini.
Du wohnst und arbeitest zurzeit in London, vorher hast du in Los Angeles und New York gelebt, hast aber italienische Wurzeln? Was würdest du sagen, wo deine Heimat ist?
Ich habe mich immer sehr zu Italien und der italienischen Kultur hingezogen gefühlt, obwohl ich in Großbritannien geboren wurde. Mein Vater hat vor Kurzem seinen Stammbaum erforscht und herausgefunden, dass seine Familie hauptsächlich aus der Lombardei im Norden Italiens stammt. Ich habe das große Glück, durch meine Arbeit viel zu reisen und immer wieder verschiedene Kulturen kennenzulernen. Dadurch bin ich sehr anpassungsfähig und fühle mich in einem neuen Umfeld immer schnell zu Hause.
Welche Etappen durchlief dein fotografischer Weg bis jetzt? Was hat dich geprägt?
Als ich anfing zu fotografieren, war meine Arbeit besonders von der Hollywood-Ästhetik des 20. Jahrhunderts beeinflusst. Schauspielerinnen wie Anita Ekberg oder die Supermodels der 90er-Jahre – Linda Evangelista, Karen Mulder, Tatiana Patitz et cetera – sie verkörperten die Schönheitsideale, die damals das Einzige waren, das ich kannte. Ich sah Filme, schaute mir Dokus an und las Bücher über sie. Ich war fasziniert von ihrem Auftreten, ihrem teuren, edlen Aussehen. Auch heute spielen diese Frauen immer noch eine große Rolle in meinem Leben und in meiner Arbeit. Ich sehe mir viele Filme an – ich liebe zum Beispiel alle Filme von Federico Fellini, Paul Verhoeven und Luca Guadagnino. Außerdem hat mich „By the Sea“ mit Angelina Jolie auf eine Weise berührt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Die Geschichte spielt an der Mittelmeerküste in den 70er-Jahren. Mit meiner Vorliebe für europäische Ästhetik finde ich einfach jeden Aspekt dieses Films außergewöhnlich schön.
In deiner Fotografie und deinen Filmen steht die Frau in Mittelpunkt, sie erscheint stark, glamourös und sinnlich. Welche Rolle spielt sie in deiner Fotografie?
Ich ziehe es vor, Frauen zu fotografieren, denn natürlich habe ich ein besseres Verständnis und tiefere Einblicke in ihrer innere Welt: die Art und Weise, auf die wir die Welt wahrnehmen und geistig verarbeiten; was wir brauchen, um uns von der Autorität oder den Einflüssen anderer zu lösen; was uns zu Tränen rührt, wie wir lieben – kurz gesagt: was uns dazu bewegt, auf einer tieferen Ebene zu fühlen. Ich fotografiere auch Männer, aber nicht sehr oft. Eine Frau bedarf keiner erotischen Kleidung, um sinnlich zu sein. Ich versuche, diese inhärente Schönheit zu entdecken und zu offenbaren, oft durch ungewöhnliche Sichtweisen – je nachdem, was ein bestimmtes Bild erreichen soll. Manchmal fotografiere ich Frauen mit Make-up, manchmal ohne; ich fotografiere ein Model ebenso im Vintage-Kleid von Versace wie im maßgeschneiderten Prada-Anzug ihres Freundes: Was zählt ist, dass sich das Ganze authentisch und subtil anfühlt und nie übertrieben bearbeitet erscheint.
Für das S Magazin hast du „A Woman of Hollywood“ fotografiert. Worum geht es in dieser Story?
Alana Hadid und ich haben uns auf einer Dinner-Party in New York kennengelernt, und daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Eines Morgens beschlossen wir beim Kaffeetrinken in der Melrose Avenue, dass wir gemeinsam etwas Zeitloses erschaffen wollen. Alana ist eine beeindruckende Geschäftsfrau und Besitzerin von mehreren Unternehmen, weshalb ich sie in Business-Outfits fotografieren wollte.
Suchst du typische Models für deine Strecken, oder wählst du auch besondere Charaktere? Wie war es für „A Woman of Hollywood“?
Ich arbeite gern mit professionellen Models, die auch eine gewisse Erfahrung ausstrahlen. Wenn eine Frau ein hohes Maß an Wissen und Intelligenz mitbringt und wir durch tolle Gespräche eine Verbindung aufbauen können, dann weiß ich, dass auch die Fotos gut gelingen werden. Ich ziehe es vor, nicht mit Frauen zu arbeiten, die sich aus Eitelkeitsgründen kosmetischen Eingriffen unterzogen haben, weil sie meines Erachtens nicht nötig sind. Ich finde, die Pariser Frauen haben hierzu die richtige Einstellung. Und ich sehe gern Haut: Besonders, wenn ein Model riesige Haarwellen oder starkes Augen-Make-up trägt, sollte sie ansonsten nur Gesichtsöl auftragen, um einen etwas aufgelösten Look zu schaffen.
Arbeitest du lieber on Location oder im Studio?
Im Studio arbeitet man innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, während On-Location-Shootings weniger kalkulierbar sind, man agiert also in einem lebensnäheren Umfeld. Mein Bildstil wird oft als europäisch beschrieben, und ich finde, das trifft zu. Ich habe es zum Beispiel auch unheimlich genossen, am Comer See oder in Südfrankreich zu arbeiten. Vor Kurzem war ich in Mali Lošinj in Kroatien, um ein Feature für „Madame Figaro“ zu fotografieren, und habe daraus einen der tollsten Urlaube mit ein paar Freunden gemacht
Du fotografierst meistens in Schwarzweiß, manchmal aber auch mit sanfter, reduzierter Farbe. Wieso ist das so?
Schwarzweiß hat die Eigenschaft, sofort jegliche Emotionen vom Bild zu entfernen, die ansonsten durch Farbe betont würden. Früher sah ich mir die Arbeiten von Irving Penn, Patrick Demarchelier und Helmut Newton an und fühlte einen tiefen Drang, zeitlose Schwarzweißbilder zu erschaffen. Seit Kurzem verspüre ich aber auch den Wunsch, etwas mehr mit Farbe zu arbeiten – es ist eine neue Herausforderung.
Wie sieht es mit dem Filmen bei dir aus? Machst du selbst die Videoaufnahmen? Welche Rolle spielst du bei der Regie?
Mein erster Kurzfilm wurde 2016 gedreht und ist zurzeit in der Nachbearbeitung. Neben der Tatsache, dass wir das Projekt absolut ohne Budget verwirklichten, war es auch so, dass ich mit der Hauptdarstellerin sehr eng befreundet bin und uns dieser Film sehr viel bedeutet. Ich beschloss also, sowohl als Drehbuchautorin als auch als Regisseurin und Produzentin zu agieren – nicht nur, weil ich wusste, dass ich dazu fähig sein würde, sondern vor allem, weil ich es auch wirklich wollte. Ich hatte einen tollen Kameramann, der den Großteil des Videos filmte, obwohl ich auch sehr intensiv in die Kameraarbeit involviert war. Mittlerweile habe ich für alle Filmprojekte einen Kameramann, damit ich mich voll und ganz auf die Regie konzentrieren kann. Mein Sternzeichen ist Jungfrau – ich glaube, das erklärt so einiges. Zum Beispiel mache ich am Set sehr viel selbst und habe gern alles unter Kontrolle; ich habe meistens überzeugte Ansichten, und bin am liebsten akribisch vorbereitet. Manchmal übernehme ich sogar die Rolle der Stylistin oder mache das Make-up. Tom Ford sagte einmal, sein Perfektionismus grenze an Wahnsinn – das kann ich vollkommen nachvollziehen.
Wie ist bei dir das Verhältnis zwischen Film und Still? Ergänzt das eine das andere? Gewinnt eine Seite an Gewicht? Du bist noch ziemlich jung, wohin möchtest du dich als Fotografin und Regisseurin bewegen? Was ist deine Vision?
Wie ist bei dir das Verhältnis zwischen Film und Still? Ergänzt das eine das andere? Gewinnt eine Seite an Gewicht? Du bist noch ziemlich jung, wohin möchtest du dich als Fotografin und Regisseurin bewegen? Was ist deine Vision?
Du hast mit deiner Leica S fotografiert. Ist es generell etwas anderes, im Mittelformat zu fotografieren?
Ich liebe die SL und die S2-P gleichermaßen. Beide zählen zu den beeindruckendsten Kameras, mit denen ich je gearbeitet habe. Und ja, das Fotografieren im Mittelformat ist wirklich eine ganz andere Welt. Jedenfalls stimme ich Henri Cartier-Bresson zu, der die Leica als optische Verlängerung des menschlichen Sehens beschrieb: Ich arbeite ausschließlich mit Leica-Kameras und würde nichts anderes in Erwägung ziehen.