INTERVIEW
Yves Kortum
Leica S (Typ 007) mit Summarit-S 1:2.5/35 ASPH. (CS), Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. (CS)
Yves Kortum Adela-Marinela Fort Natalia Goff Hotel Langlois Paris, Le Moulin Rouge, Le Ritz, Le Laperouse, Café Stern, Victoria Station Paris Mariana Martins @ Upmodels Paris, Nicky Barutzki @ Most Wanted Models Munich, Senta Schnabl @ MP Models Paris, Lilly Elise @ Wilhelmina Models
Beim jeden Shooting entdeckt Yves Kortum die verschiedenen Eigenheiten und Facetten der Frau aufs Neue. Das stärkere Geschlecht – wie er selbst das Weibliche bezeichnet – stellt er auf seinen Schwarzweißfotografien stark, überirdisch, verführerisch, manchmal jedoch auch verletzlich dar. Für „A New Tone of Its Own“ präsentiert er unwiderstehliche Musen im zauberhaften Zwielicht nächtlicher Pariser Straßen.
Wenn man sich deine Frauenbilder über einen längeren Zeitraum ansieht, hat man keinesfalls das Gefühl, dass dich das Thema zu langweilen beginnt. Was fasziniert dich daran?
Ich glaube, das Thema wird mich nie langweilen, es fasziniert mich immer wieder. Ich liebe es, Frauen zu fotografieren. Jede ist anders, es gibt so viele verschiedene Charaktere, so viele Facetten, die ich entdecke. Seit den 80er-Jahren, als ich angefangen habe zu fotografieren, wird Schönheit kontinuierlich neu definiert. Deshalb werde ich auch nie nur eine einzige Muse haben, sondern immer wieder das Neue suchen. Ich entwickle meine Fotografie mit den Charakteren, die ich fotografiere. Wenn man immer dasselbe Model fotografiert, kommt man irgendwann nicht mehr weiter und wiederholt sich.
Du benutzt Perspektiven, die die Frau groß, überirdisch, stark und ziemlich unantastbar erscheinen lassen – eine Parallele zu Helmut Newton, bei dem du assistiert hast. Welches Bild willst du vermitteln? Wo bist du anders?
Ich stelle immer die starke Frau dar, das stärkere Geschlecht. Dazu muss ich sehr oft auf dem Boden kriechen, im Dreck liegen und so weiter. Ich bin mir für nichts zu schade, um mein Foto so zu machen, wie ich es sehen will, das heißt die unantastbare Frau zu zeigen, die in meinen Bildern aber auch oft zerbrechlich schwach oder dramatisch wirkt. Man sagt mir immer Parallelen zu Helmut nach, was aber unterscheidet uns? Helmut hat sich weniger vorbereitet, er hat das Ganze weniger kalkuliert, aber sehr sexualisiert. Ich bereite mich lange vor, und meine Bilder sind weniger sexualisiert, obwohl ich es ebenfalls versuchen will; ich komme aber während des Shootings davon ab. Ich traue mich auch weniger als er damals. Das hat vielleicht mit der heutigen Zeit zu tun; es wird einem sehr schnell vorgeworfen, dass man die Frau als Ware herabwürdigt. Ich stecke da oft zurück, Helmut hat sich gar nicht darum gekümmert und sich auch nichts sagen lassen. Ich lege sehr viel Wert auf das beste Material. Helmut war das egal, er hat meist mit kleineren Kameras fotografiert und weniger Wert auf gutes Material gelegt.
Obwohl das Posing der Frauen auf deinen Bildern nicht stark variiert, sind sie alle sehr kraftvoll und in gewisser Weise sehr aufgeladen. Was macht ihr da eigentlich
Ich habe vor jedem Shooting eine Vision, eine Idee, die sich entwickelt. Ich suche mir dann die Models, mit denen ich diese Idee umsetzen kann. Wenn wir uns das letzte Editorial ansehen, dann sehen wir zwei Models mit vielen Variationen im Posing. Bei diesem Editorial wollte ich das nicht, ich wollte weniger machen, eher der stille Beobachter, der – salopp gesagt – Voyeur sein. Ich briefe dann auch das Team dementsprechend, die Models machen ein paar Lichttests, und ich sehe sofort, was sie mir bringen und was ich noch entwickeln muss. Meistens habe ich Models, die mich genau verstehen und das umsetzen, was ich im Kopf habe. Ich gebe ihnen Anweisungen und entdecke dann in ihren Posen ihre Stärken und Schwächen. Die Stärken versuche ich anschließend zu entwickeln. Nur gemeinsam können wir das schaffen.
Wieso blicken die Models im S Magazin nie direkt in die Kamera? Ist das Zufall oder Absicht?
Nein, es ist kein Zufall – oder vielleicht doch. Ehe ich anfange zu fotografieren, versuche ich, ein paar Testbilder mit den Models zu machen, auf denen sie in die Kamera sehen, an mir vorbei oder von mir weg. Dann entscheide ich, was mir am besten gefällt, und mache die ganze Serie so. Es kommt aber auch auf meine Vision an. Wie gesagt, kalkulieren ist immer gut, doch ich lasse danach den Zufall zuschlagen.
In den Bildern von „A New Tone of Its Own“ herrscht eine gewisse Düsternis. Du warst nachts unterwegs und hast auf der auf der Straße, im öffentlichen Raum fotografiert. Weshalb? Worin besteht für dich der Unterschied zum Studio, und gehst du jetzt mehr in diese Richtung? Wie gehst du dabei mit dem Licht um?
Um meine Kreativität aufrecht zu erhalten und nicht Gefahr zu laufen, immer das Gleiche zu tun, muss ich manchmal aus meiner Comfort Zone raus. Dann langweile ich mich auch weniger. Ich liebe es, nachts in Paris zu fotografieren. Wir haben da Ruhe, keiner stört uns, es sind keine Millionen Touristen unterwegs, lediglich Soldaten und Polizisten an jeder Straßenecke. Aber die sind immer froh, so etwas wie uns zu sehen. Im Studio ist alles viel kalkulierter und auch nicht so real. Auf der Straße kann viel mehr passieren, der Zufall macht mir mein Bild noch interessanter. Ob ich häufiger in diese Richtung gehen werde? Nein, das ich glaube nicht, ich habe jetzt ein paar Shootings so gemacht, aber nun suche ich wieder etwas Neues, anderes Licht, eine andere Technik. Nachtshootings sind auch sehr anstrengend. Wir schaffen es lediglich, drei oder vier Bilder fertigzustellen, von 22 Uhr bis fünf Uhr morgens. Ich achte zuerst auf das vorhandene Licht. Das setze ich so ein, dass der Blitz nur noch ein Accessoire ist. Den Blitz positioniere ich dann im richtigen Abstand zum Model und arbeite mit Lichtformern, die das vorhandene Licht unterstützen. Dafür eignet sich natürlich eine Kamera wie die S007 perfekt. Hohe ISO-Zahlen, die das Bild nicht zu körnig werden lassen, und lichtstarke Objektive. Ich brauche eine ruhige Hand, da ich mit langen Belichtungszeiten arbeite. Aber wenn ein Bild verwackelt ist und nicht ganz scharf, macht es das oft interessanter. Die meisten Fotografen machen es meiner Meinung nach falsch, sie nehmen den Blitz von vorn als Hauptlichtquelle, blitzen voll ab, wählen kurze Belichtungszeiten, um ja nichts zu verwackeln und profitieren nicht vom existierenden Licht. Dadurch wirkt das Foto flach und hat keine Tiefe, das Schwarz hat keine Zeichnung mehr.
Gibt es einen speziellen Grund, weshalb du für diese Strecke die Leica S verwendet hast?
Wie bereits erwähnt, suche ich immer die Perfektion, und welche Kamera ist heutzutage besser geeignet, mein kontrastreiches Schwarzweiß darzustellen, als das Flaggschiff von Leica, die S007? Keine andere Kamera und keine anderen Objektive als die von Leica ermöglichen diese Millionen Graustufen, so viel Zeichnung vom Tiefschwarzen bis ins helle Weiß. Die neue 007 bietet auch mehr Möglichkeiten, höhere ISO-Werte einzustellen, als ihre Vorgängermodelle. Es ist ein Genuss, mit ihr zu arbeiten.