INTERVIEW
Reno Mezger
Reno Mezger Uta von Fintel KULT Model Agency, MD Management, Modelwerk, PLACE Models, PMA Promod Model Agency, The SQUIREmgmt Elektronische Schönheit, Knackscharf Rent, 711 Rent Sven Kacirek Leica S (007) mit Summarit-S 1:2.5 /70mm Asph. (CS) und APO-Summarit-S 1:2,5/120mm (CS), ergänzend für Videos Leica SL mit Vario-Elmarit-SL 1:2,8–4/24–90 mm Asph.
Für „A Celebration of Man“ haben Reno Mezger und Art Direktorin Uta von Fintel den männlichen Akt in den Fokus gestellt. Für die an der Produktion beteiligten professionellen Models, ging es dabei nicht darum wie üblich eine Rolle einzunehmen, sondern ihre Persönlichkeit im Zusammenspiel mit dem Fotografen herauszuarbeiten.
S Magazin: Worum handelt es sich bei „A Celebration of Man“?
„A Celebration of Man“ ist ein visuelles Kunstprojekt, bestehend aus Aktfotografie und Filmen. Es werden ausschließlich Männer unterschiedlichen Alters gezeigt. Alle Männer sind professionelle Modelle von namhaften Agenturen und posieren nackt.
Weshalb zeigt ihr die Männer ausschließlich nackt, und warum habt ihr ausschließlich professionelle Modelle ausgewählt?
Aus der Mode kommend, ist es für uns ganz natürlich, mit Modellen zu arbeiten. Modelle entsprechen unserer Ästhetik, und doch gibt es auch hier sehr unterschiedliche Anatomien, die als schön oder eben als eigen empfunden werden.
Die Herausforderung: mit dem, was da ist, umzugehen und eine persönliche Ästhetik zu schaffen.
Es gibt keine Hilfestellung, es geht um den Mann, die Person „an sich“ – entweder, es funktioniert oder eben nicht. Das ist die künstlerische Herausforderung.
Es sind manchmal Muskelformen oder anatomische Besonderheiten, und es geht um Körperlichkeit. Nacktheit ist die Essenz des Körpers als Form. Er ist nicht bedeckt, nichts lenkt ab, er ist ganz pur.
Wie haben die Agenturen und die Modelle auf euer Projekt reagiert?
Das war sehr unterschiedlich. Von Unterstützung und Euphorie bis hin zur völligen Ablehnung. Je nachdem, wer der Ansprechpartner war und wie dessen Zugang zum Thema Akt ist.
Die Männer haben sehr individuell reagiert, sehr verschieden von Mensch zu Mensch. Manche sind von vornherein freizügiger als andere. Auch ist das Vorwissen der Modelle zum Projekt unterschiedlich, da das Nacktposieren im normalen Alltag eines Fashionmodels nicht vorkommt. Es ist spannend zu sehen, wie die Modelle mit ihrer persönlichen Grenze umgehen.
Je länger die Männer bei den Shootings bei uns sind, je mehr wir ihr Vertrauen gewinnen und sie sich auf uns einlassen, desto gelassener werden sie.
Nackte Männer zu fotografieren war für euch ja ein neues Thema. Wie habt ihr euch dem Thema genähert, und wo habt ihr Schwierigkeiten gesehen?
Sie zu fotografieren war ein neues Thema, aber nicht der Umgang mit dem Thema Akt oder Nacktheit. Die Inszenierung von Formen und Körpern und die visuelle Gestaltung spielen in jedem Bild eine große Rolle. Der Ausdruck und die Ästhetisierung von Emotionen werden durch die Hüllenlosigkeit auf eine andere Art ermöglicht.
Wir haben uns dem Thema unbekümmert genähert, was den Umgang mit Schwierigkeiten anging. Man kann sagen, wir haben einfach angefangen „zu machen“. Dass die Darstellung von nackten männlichen Körpern gesellschaftlich dem Bereich der Genrefotografie zugeordnet werden könnte, war klar, allerdings entspricht es nicht unseren Motiven. Aktfotografie hat etwas mit Körperlichkeit zu tun, sie ist frei von sexueller Orientierung.
Wolltet ihr mit dem Thema männlicher Akt provozieren oder ein altes Thema aus der Kunst aufgreifen?
Warum sollte ein nackter Mann mehr provozieren als eine nackte Frau – es sind beides Menschen. Der Po eines Mannes ist im Bild genau wie ein weiblicher, von den geschlechtsspezifischen anatomischen Unterschieden einmal abgesehen. Wenn das heute für eine Provokation sorgt, ist es wohl gerechtfertigt. Es gab Zeiten, da wurden männliche Akte viel häufiger gezeigt als weibliche. Irgendwann muss etwas passiert sein, dass sich das umkehrte.
Welche Rolle spielt Erotik bei dieser Arbeit?
Erotik spielt am Set keine Rolle. Auch wenn in intimer Atmosphäre, das heißt mit wenigen Personen gearbeitet wird, so dient dies nur dem Zweck, einen geschützten Raum zu schaffen. Wenn jemand die Bilder später als erotisch empfindet, bleibt es der Person überlassen. Dies ist nicht steuerbar. Eine Betrachtungsweise lässt sich nicht oktroyieren und liegt uns fern.
Wie weit wolltet ihr beim Posing gehen? Inwieweit haben die Modelle selbst Einfluss darauf gehabt? Und wie haben die Männer reagiert?
Wie viel und was das Modell preisgibt, entscheidet es selbst. Die Interaktion beim Fotografieren bestimmt die Bilder, das Gefühl zum Modell beeinflusst Posen und Emotionen, die dann auf dem eigentlichen Bild sichtbar sind. Es ist ein intuitiver, fließender Arbeitsablauf – vom Moment abhängig. Was man schafft, enthält auch etwas vom Schaffenden selbst.
Im Normalfall verkörpert ein Modell etwas, das verkauft werden soll. Bei diesem Projekt werden sie in ihrem Wesen wahrgenommen, deshalb geben sich die Männer auch anders, sind persönlicher und nahbarer. Das ist ein Geschenk – für beide Seiten –, und es ist wichtig für das Bild. Die Reaktionen sind positiv, oft sind sie stolz auf sich und auf das, was sie geleistet haben, manchmal euphorisch – ähnlich wie nach einer bestandenen Mutprobe.
Wie kam die Entscheidung zustande, das Projekt in Form eines Buchs zu veröffentlichen?
Neben der Ausstellung in Galerien ist das Buch die Königsdisziplin, der Höhepunkt eines Projekts. Gerade, wo heute alles bei Facebook, Instagram und Co. über den Screen flimmert, besteht ein Bedürfnis nach einer besonderen Wertigkeit, die dem Projekt gebührt.
Ihr habt neben den Fotos auch Videos gemacht. Welche Rolle spielen sie für das Projekt?
Das Buch wird das Resultat des Projekts sein, aber natürlich können auch andere Medien eine Rolle spielen. Auch für die begleitende Ausstellung.
Die ästhetische Umsetzung unterliegt unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten in Foto und Film. Das Foto fängt den Moment ein und kann ihn intensivieren; in manchen Fällen steigert sich die Wirkung im Bewegtbild. Es sind ähnliche und doch höchst unterschiedliche Medien, die den gleichen künstlerischen Ausdruck erwirken. Der Film ist die logische Fortsetzung des Fotos und bereichert das Projekt auf einer anderen Ebene. Dies ist anspruchsvoll und hat einen großen Reiz.
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Wie viele Männer wollt ihr denn fotografieren, und wann wird das Projekt beendet sein?
Eigentlich waren am Anfang 50 Männer geplant. Unterschiedlicher Erscheinung, verschiedenen Alters, größtmöglicher Varianz. Vielleicht werden es mehr, der inhaltliche Rahmen muss erfüllt sein. Irgendwann wird sich das Gefühl einstellen, das Thema erfüllt zu haben. Im Hinterkopf haben wir Mitte 2017.
Die Produktion – Fotos und Videos – wurde ausschließlich mit der Leica S und der Leica SL aufgenommen. Wie hat das den Arbeitsprozess in der Fotografie beeinflusst?
Ich benutze verschiedene Kamerasysteme, zunächst einmal müssen sie meinen Anforderungen an die jeweilige Aufgabe oder dem Job gerecht werden, technisch funktionieren und meinem Tempo standhalten. Hier geht es um reine Funktionalität.
Die Kamera ist mein Instrument, insofern hat mich der Standard, den Leica setzt, beeinflusst. Leica steht für Präzision und perfekte Technik, aber auch die Firmengeschichte mit ihrem künstlerischen Hintergrund begeistert mich.