INTERVIEW
Letizia Le Fur
Letizia Le Fur Leica SL2 mit Apo-Summicron SL 1:2 / 35 ASPH und Apo-Summicron SL 1:2 / 75 ASPH
The Wealth of the Continents and the Providence of Men on the Run
Mit traumähnlichen Landschaften und malerischen Kompositionen schafft die Fotografin Letizia Le Fur Bilderstrecken voll poetischer Schönheit. Sie widmete sich zunächst der Malerei, um ihr Gefühl für Farbe und Komposition auszubilden. In der Fotografie fand sie ihren ästhetischen Ausdruck, dessen Verwandtschaft mit der Malerei unverkennbar ist.
Hier berichtet sie, wie Malerei und Film sie inspirieren, was die Natur für sie bedeutet und wie sie mit Farben und Kompositionen umgeht.
Wie bist du zur Fotografie gekommen? Du hast in früheren Interviews erwähnt, dass bei dir eine besondere Verbindung zu anderen Formen der Kunst besteht, insbesondere zur Malerei.
Ja, am Anfang war die Malerei mein Ding, vor allem die von Rembrandt, Vermeer, Vilhelm Hammershøi und Gerhard Richter. Es war eine Möglichkeit, mich aus dem rauen Vorort, in dem ich aufgewachsen bin und der bar jeder Menschlichkeit oder Schönheit ist, wegzuträumen. Als ich an der Pariser École des Beaux-Arts studierte, stellte ich fest, dass ich wohl nicht viel zur Geschichte der Malerei würde beitragen können. Als ich meine Dozentin Valérie Belin an der Universität traf, war das ein Wendepunkt. Sie brachte mich dazu, auf Fotografie umzusteigen.
Was bedeutet Fotografie für dich, wie setzt du sie ein? Wo liegen die Grenzen der Fotografie?
Fotografie ist für mich eine Notwendigkeit. Es ist schwer zu erklären, aber ich brauche sie, um dem, was ich mir vorstelle, eine Form zu geben. Das kann durch die Umgebung geprägt worden sein, in der ich aufgewachsen bin, da ich mich gern mit versteckter, nicht direkt sichtbarer Schönheit beschäftige. Was die Grenzen der Fotografie angeht, gibt es viele. Sie ist ein fantastisches Medium, um sich auszudrücken, aber im Vergleich zur Literatur ist sie ein begrenztes Medium. Ich denke nicht, dass ein Bild 1000 Wörter wert ist, aber andererseits ist es manchmal am besten, ein Bild statt 1000 Wörtern vor sich zu haben.
Deine Bilder haben einen filmischen Look.
Das Kino ist auch eine große Inspirationsquelle für mich, und Regisseure wie Andrei Tarkowski, Chris Marker, Lynch, Wenders und Barbara Loden sind da meine Favoriten.
Hast du auch fotografische Vorbilder? Wer hat deine Sichtweise der Dinge beeinflusst?
Saul Leiter, Gueorgui Pinkhassov und Rinko Kawauchi sind meine größten Einflüsse, insbesondere in der Art, wie sie Farben einsetzen.
Wie entstand deine Bildsprache, wie hat sie sich entwickelt?
Ich baue meine Bilder auf wie Gemälde, wenn es um die Komposition und die Verwendung von Farben geht. Ich mag es, den gesamten Bildrahmen zu füllen, bestimmte Farben zu verwenden, die ich ineinander fließen lasse, und ich neige dazu, die Regeln der klassischen Malerei in meinen Kompositionen anzuwenden.
bold:Woher stammt der Titel der Serie, über die wir sprechen?$
Der Originaltitel lautet in französischer Sprache „La richesse des continents et la providence des hommes en fuite“ und könnte mit „Der Reichtum der Kontinente und die Vorsehung der Menschen auf der Flucht“ übersetzt werden. Dieser Titel stammt aus einem Dialog in dem Roman „Der Matrose von Gibraltar“ von Marguerite Duras.
Einige deiner Bilder haben Bokeh, in anderen ist der Vordergrund unscharf, und hier und da hast du anscheinend Blitzlicht verwendet. Was sind deine bevorzugten Stilelemente?
Ich würde nicht sagen, dass ich grundsätzlich bevorzugte Stilelemente habe, aber das, was ich vor mir sehe, bestimmt die Art und Weise, wie ich fotografiere – sei es Bokeh oder die Verwendung von Blitzlicht. Ich denke, wenn ich ein bestimmtes Element herausheben möchte, verwende ich Bokeh, und wenn es ein bunter Vordergrund ist, den ich hervorheben möchte, verwende ich Blitzlicht.
Hast du zum ersten Mal mit der Leica SL2 gearbeitet? Welchen Eindruck hast du von der Kamera?
Ich war schon mit der SL1 vertraut und hatte das Glück, die SL2 zu testen, bevor sie herauskam. Mit ihr habe ich diese Serie gestartet. Die SL2 ist meiner Meinung nach ergonomischer und schneller in Bezug auf Autofokus, Startgeschwindigkeit, Zugriff auf die verschiedenen Menüs und so weiter.
Welche Objektive hast du mit der SL2 verwendet, und was schätzt du an ihnen?
Ich habe das APO-Summicron-SL 1:2/35 Asph. und das APO-Summicron-SL 1:2/75 Asph. benutzt. Ich mag das unglaubliche Bokeh der Objektive, muss ich sagen.
Inwiefern unterscheiden sich die mit der SL2 aufgenommenen Bilder von denen, die du zuvor aufgenommen hast?
Ich arbeite die meiste Zeit mit stark offener Blende, und die Genauigkeit des Fokus war weder bei der SL1 und noch weniger bei der SL2 ein Problem. Die Rohdaten der Leica-Bilder sind auch großartig, wenn es um die Farbmetrik geht. Das macht die Nachbearbeitung einfacher!
Wo und wann hast du die Serie aufgenommen, vor allem die Landschaftsbilder? Sieht ein bisschen aus wie die Insel Lanzarote …
Gut gesehen, die Serie wurde tatsächlich auf Lanzarote und im letzten Herbst (2019) auf Korsika fotografiert.
Zu welcher Gelegenheit hast du an der Serie gearbeitet, war es ein eigenes Projekt oder ein Auftrag?
Es ist ein eigenes Projekt.
Wir sehen hier Details von Pflanzen und menschlichen Körpern, viel leere Landschaft. Erzähl uns etwas über die Handlung, was ist die Geschichte hinter dieser Serie? Sie scheint eine Hommage an die Vielfalt der Natur zu sein …
Ich mochte es immer, Natur, Pflanzen und leere Landschaften auf meine eigene Art zu fotografieren. Gerade in dieser Serie wollte ich zum ersten Mal eine männliche Aktfigur vorkommen lassen. Sie kann als mythologischer Charakter gesehen werden, der wie in einer postapokalyptischen Welt von einem verlassenen Ort zu einem anderen springt. In diesen Bildern steckt definitiv die Vorstellung von der Zerbrechlichkeit des Menschen und der Unerbittlichkeit der Natur. Ich mag auch die Idee, dass wir nicht wirklich wissen, ob er vor etwas flieht oder hinter etwas her ist. Das überlasse ich dem Betrachter.
Bevorzugst du Farbe oder Schwarzweiß?
Ich bevorzuge definitiv Farbe, aber wie man sehen kann, habe ich meine Praxis vor Kurzem für Schwarzweiß geöffnet.
Hast du Visionen, wie du deine Bildsprache in Zukunft weiterentwickeln willst?
Ich plane nicht weit voraus, um ehrlich zu sein. Aber meine Bildsprache befindet sich in ständiger Weiterentwicklung und ist auch inspiriert von Bildern anderer Fotografen, nicht zuletzt der jungen. Ich denke, es ist wichtig, neugierig zu sein und nicht in einen Stil zu verfallen. Das Kino liegt mir sehr am Herzen.