INTERVIEW
Jörg Schieferecke
Leica S (Typ 007) mit Elmarit-S 1:2.8/45 ASPH. (CS), Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. (CS)
Jörg Schieferecke Jeannastyling @ Peppermint Cirus Sandra Wiesemann Suzana Santalab mit Produkten von Paul Mitchell Tanja Kern @ Bigoudi mit Produkten von Chanel, MAC und Laura Mercier Christian Koch Stephan Seebauer @ Raff Digital Tamina Zakrzewski @ Modelwerk
Nick Caves und Kylie Minogues Song „Where the Wild Roses Grow“ war für Jörg Schieferecke der inspirierende Quell für „Drop Dead Beauty“. Aufwendig-experimentelle Sets – Wasserleiche inklusive – bilden die Kulisse für eine geheimnisvolle Mondschein-Beauty-Strecke voll feiner, makelloser Ästhetik.
Du arbeitest schon seit einigen Jahren als Fotograf, hast du das Gefühl, dass sich die Modefotografie in dieser Zeit grundsätzlich verändert hat?
Veränderung ist Leben, und ebenso verändert sich die Fotografie. Es gibt wahnsinnig viele Handyfotos, die sofort im Netz geteilt werden – diese Bilderflut verändert unsere Sichtweise. Durch die Digitalisierung gibt es viele Wege, um ans Ziel zu kommen. Da ist es schon wichtig, seine Haltung zu wahren, eine Vision zu haben und sie dann mit den jeweiligen Mitteln umzusetzen.
Fühlst du dich bei Modeaufnahmen heute eher eingeengt? Kannst du noch machen, was du für richtig hältst?
Der Arbeitsprozess bei Produktionen hat sich signifikant verändert. Der Kunde ist in der Lage, sofort Einfluss auf einzelne Bilder zu nehmen. Das ermöglicht auf der einen Seite ein sehr kundenorientiertes Arbeiten, es schränkt aber natürlich die eigene Vorstellung ein. Man muss kompromissbereit sein. Grundsätzlich habe ich aber das Glück, Kunden zu haben, die mich aufgrund meiner Arbeit buchen und mir kreativen Freiraum lassen. Ich bin definitiv perfektionistisch veranlagt. Gefällt mir etwas nicht, fotografiere ich es so nicht, sondern suche nach Lösungen, bis sowohl der Kunde als auch ich zufrieden sind. Bei Editorials habe ich bisher immer die Ideen, die in meinem Studio entstanden sind, verwirklicht.
Meinst du, dass die Fotografie durch die Zunahme des Bewegtbildes in den Medien, insbesondere auch in den sozialen Medien, bedrängt, wenn nicht gar gänzlich zur Seite gedrängt wird, oder behauptet sie sich weiterhin gut? Wo siehst du ihre Rolle in diesem Zusammenhang?
Film ist ein spannendes Medium geworden, auch da es mittlerweile möglich ist, ohne riesigen Aufwand und enorme finanzielle Mittel gute Ergebnisse zu realisieren. Ich finde das Bewegtbild seit jeher faszinierend, und bei uns im Studio experimentieren wir auch mehr und mehr mit den kreativen Möglichkeiten, die das Medium bietet. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht daran, dass gute Fotografie ihre Berechtigung verliert. Veränderung – ja, Verdrängung – nein.
Für das S Magazin hast du „Drop Dead Beauty“ fotografiert. Worum geht es da?
Es geht um Schönheit, Vergänglichkeit, Schuld und Unschuld. Die Ästhetik steht dabei im Vordergrund: dunkles Wasser im Mondschein, Spiegelungen auf der Oberfläche, Wasserpflanzen und helle Haut wie Milch und Honig … Spiegelungen, Reflexionen, Farben, unterschiedlich fließende Texturen.
Gibt es hier eine Anlehnung an den bekannten Song von Nick Cave und Kylie Minogue, „Where the Wild Roses Grow“?
Schon länger hatte ich die Idee, eine wunderschöne Wasserleiche im Mondschein zu fotografieren. Funkelnd und fließend. Und ja, in Nick Caves Song geht es für mich um die Konservierung der Schönheit. Töten aus Liebe. Vergänglichkeit aufhalten. Poesie … sehr inspirierend.
Viele Pflanzen, der Teich und die wunderschöne Wasserleiche – das Set ist ziemlich aufwendig. Inwieweit ist das, was man sieht, während des Shootings entstanden, und welche Rolle spielt hier die Postproduktion?
Das komplette Set, die Pflanzen, den Teich mit seinen Reflexionen und das Mondlicht haben wir im Studio aufgebaut. Ich komme ja aus der analogen Fotografie. Ich arbeite seither so: Ich habe eine klare Vorstellung im Kopf; während der Fotoproduktion versuche ich, schon so nah wie möglich an diese Vision heranzukommen. Die Postproduktion nutze ich für den Feinschliff, um den Look zu vervollständigen, selten, um ihn erst zu kreieren.
Du experimentierst viel mit Überbelichtung, Reflexionen, Verzerrung, Bewegungsunschärfe – das ist sozusagen die Handschrift deiner Fotografie. Wie siehst du deinen Stil?
Ja, ich liebe es zu experimentieren. Ich möchte Geschichten erzählen. Ich inszeniere mit meinen Mitteln – Set, Licht, Perspektive und Bildkomposition – Bildwelten. Grundsätzlich ist das Ziel, dass jede Produktion besser wird als die vorherige. Nichts ist so langweilig, wie sich selbst zu kopieren.
Wie war es für dich, mit dem Mittelformat von Leica zu arbeiten? Verwendest du das Mittelformat häufiger?
Ich arbeite fast immer mit dem Mittel- oder dem Großformat. Leica hat nicht nur Kultstatus, Kameras und Objektive gehören auch zu den Besten der Welt. Leica steht für Präzisionsarbeit. Insofern war es wunderbar, mit dieser Kamera arbeiten zu dürfen.