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Weimar Los Angeles · Bil Brown 1 / 1
Interview

INTERVIEW

Bil Brown

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KONZEPT und FOTOGRAFIE Bil Brown STYLING Shaina Feldman MAKE-UP Mynxii White HAARE Elaina Karras STYLING-ASSISTENZ J. Alexander MODELS Stevie DeFelice, Zarina Nares, Ema McKie @ Vision Los Angeles KAMERA Leica SL mit Vario-Summarit-SL 1:2,8-4/24-90mm Asph., Tri-Elmar-M 1:4/16-18-21mm Asph., Summicron-M 1:2/35mm Apsh. und Vario-Elmar-R 1:4,5/75-200mm

„Weimar Los Angeles“ ist eine Geschichte über wilde Nächte im heutigen Los Angeles, die auf ihre Art mit dem blühenden, bunten und dekadenten Berliner Leben der 20er und frühen 30er Jahre korrespondieren. Ein spannendes Schwarzweiß-Fashioneditorial des amerikanischen Fotografen Bil Brown.

Du hast deine Fotoserie für das Leica S Magazin „Weimar Los Angeles“ genannt. Worin siehst du die Verbindung zwischen der Weimarer Republik der 20er Jahre und dem L.A. der Gegenwart?
Für mich war das Berlin der 20er das Zentrum der sozialen Freiheit und einer Kultur des Ästhetischen, die dann von den Realitäten der Weltpolitik angegriffen wurden. Einige wenige wurden reich, während die meisten ökonomischer Unsicherheit ausgesetzt waren. Die Errungenschaften des Liberalismus standen auf der einen Seite, aber dann kam ein dunkler Neokonservativismus auf, der die Massen manipulierte und eine Atmosphäre der Angst schuf.

Dem heutigen Los Angeles ist das gar nicht unähnlich: Es ist der Fokus der US-Kultur, die dann zu einem globalen Phänomen wird. Alle Freiheiten, die wir haben, finden ihren Widerhall in den populären, aber auch in den Underground-Künstlern, dem „Bauch“ der Gesellschaft wie dem der realen Welt. Als ich meine Serie schoss, lief gerade der Vorwahlkampf, der die amerikanische Gesellschaft politisch und kulturell aufspaltete.

Den jungen Menschen mit ihren kulturellen wie ästhetischen Präferenzen stand eine Veränderung gegenüber, ein Massenphänomen, das diese Kultur mit einem Rechtsruck zu übernehmen drohte. Plötzlich setzte ein Gefühl der Angst ein, während doch die Freiheit zum Experiment in Sexualität, Kultur und Musik in voller Blüte stand – reif gewissermaßen für eine politische und kulturelle Gegenbewegung, die das Ganze im Keim zu ersticken droht. Wer weiß, was noch kommt?

Ich glaube, es ist die Rolle des Künstlers, in der Mode wie in anderen Bereichen ein Ohr am Herzschlag der Kultur zu haben und die Peripherie des Zeitgeists zu dokumentieren. Und wenn möglich die Zeitgeschichte als Warnung zu sehen – dies versuche ich in meiner Serie. Ob mir das gelingt, wird die Geschichte zeigen.

Du verlegst das „Black & Grey Magazine“ und bist gleichzeitig Fotograf, also sitzt du sozusagen an beiden Enden des Tisches. Was muss man deiner Ansicht nach aus diesen beiden Blickwinkeln beachten, wenn man Mode fotografiert?
Man muss sich selbst treu bleiben, es gibt keine klaren Regeln, außer natürlich denen der Kunden, wenn man in den Modemagazinen veröffentlichen will. Ihr wolltet für die Serie einen Stil, für den ich meinen persönlichen, individuellen Porträtstil, vor allem den der Frauenporträts, beibehalten sollte. Im „Fashion Image“, das ja hauptsächlich auf Frauen abzielt, jedoch zu 90 Prozent von Männern geprägt und fotografiert wird, kann man bestimmte Dinge beeinflussen. Jürgen Teller klagte in einem Interview im „NYMag“ einmal: „Ein Großteil der Modefotografie ist derart retuschiert, und man verwendet Airbrushing so sehr, dass das Menschliche völlig auf der Strecke bleibt – aber man will doch auch nicht mit einer Puppe schlafen!“

Ich verstand das so, dass der erotische Aspekt des spezifisch weiblichen Modeimages außer Acht gelassen wird – was dank Teller und Terry Richardson nicht mehr so sehr der Fall ist, aber es gibt eben diesen Regelkanon, der das Ganze aufweicht. Einerseits darf man in der Bildsprache keinen Fetisch bedienen, andererseits ist ja die ganze Mode ein einziger Fetisch, nicht wahr? Man soll sie begehren und verehren, aber man verfängt sich auch in ihr, den Kleidern, dem Schnitt einer Bluse. Man muss das sehen, ohne sich darin zu verzetteln. Überhaupt, ob männlicher oder weiblicher Blick, das war einmal, nun ist er eher geschlechtslos oder eben nicht, das kann verwirren.

Gilt das auch für den technischen Bereich?
Ja. Hier sollte man die Grundlagen der Modefotografie beachten und sich von dort aus weiterentwickeln, eine Balance finden zwischen den traditionellen, konventionellen Modeporträts und ihrem anschließenden „Durchrütteln“. Das typische Editorial umfasst sieben bis zehn Seiten, manchmal weniger. Hier gilt es, einen Flow zu erzeugen, der eine Geschichte erzählt, die man am besten schon vorher im Kopf hat.

Das ist eben die Stärke der Modefotografie. Sie ist schlussendlich nicht das Bild eines Mädchens oder Typen, das Model soll uns etwas geben und etwas erzählen über das, was es trägt – oder eben nicht trägt. Keats nannte dies „negative Fähigkeit“. Man kann das Styling hassen oder das Model interessanter finden, aber typischerweise geht es nicht um das eine Foto, sondern um eine interagierende Folge von Bildern. Die besten Fotografen, ob sie nun in der Mode-, Street-, Reportage- oder Dokumentarfotografie arbeiten, kennen ihre Geschichte und wissen, was sie transportieren wollen.

Selbst wenn es nur der Impuls eines Momentes ist, ungeplant und ohne ein Mood-Board. Ich selbst halte mich nicht mehr sklavisch an Mood-Boards oder Konzepte. Sie sind für mich nicht mehr als eine Anregung. Jemand sagte mir einmal, die Fotografie sei die zugänglichste Kunstform, aber die schwierigste, um die eigene Tonalität zu finden

Street-Photography ist auch eine deiner Leidenschaften. Wie verträgt sich das mit deiner Arbeit für die Mode?
Ich mache wenig Unterschied zwischen Street und anderen Fotografieformen – es ist letztlich alles Fotografie. Aber ich schieße normalerweise in meiner Street-Arbeit mit Film, zur Kontrolle habe ich eine kleine Digitalkamera dabei oder ein Mobiltelefon und einen Belichtungsmesser, wenn ich mir nicht ganz sicher bin und keinen 36-Film verschwenden will.

Vor Kurzem habe ich begonnen, auch die SL mit meinem 28-mm-Summicron mitzunehmen, das ich normalerweise an meiner M240 benutze. Neuerdings benutze ich an der SL sogar mein 75er- und 90er-Summicron, weil ihr EVF so gut ist. So kann ich den engeren Schärfentiefenbereich hier voll ausnutzen.

Für Modeaufnahmen nehme ich das Model eigentlich immer mit auf die Straße. Wir gehen los und suchen eine Szene, mit der das Model interagieren kann und die die Geschichte trägt. Viele meiner Straßenfotografieausflüge sind eigentlich Scoutings für Locations, die ich dann später mit meinem Team und den Models nutze. Ich sehe auf diesen Touren viel, und es entstehen dabei Szenen im Kopf, die ich so mit einem Model noch nicht fotografiert habe.

Es ist eine Art ewiger Kreislauf, vor und zurück, mit dem Unterschied, dass bei der Street-Photography das Überraschungsmoment größer ist, während bei Mode geplant und koordiniert werden muss. Ansonsten arbeite ich in beiden Bereichen ähnlich und eben sehr, sehr schnell, öffne die Blende kaum weiter als f8 und nehme einen Blitz!

Du hast bisher mit unterschiedlichen Kameras gearbeitet: mit Film, der Leica M, dem S-System und der SL. Woher weißt du, zu welchem Zweck du welche Kamera am besten einsetzt?
Nobuyoshi Araki sagt: „Wenn du deine Fotografien verändern willst, musst du deine Kamera wechseln. Dies führt zu einer Änderung der Fotografie. Eine wirklich gute Kamera hat so etwas wie eine unverwechselbare Aura.“ Ich kann dem nur uneingeschränkt zustimmen. Ein Fotograf sollte viele unterschiedliche Werkzeuge haben.

DSLRs habe ich vor einiger Zeit aufgegeben, weil ich ihre flachen, eigenschafts- und seelenlosen Dateien nicht mehr mochte. Ich glaube, jeder Fotograf versucht, irgendwann eine Kamera zu finden, die nicht jedermann hat – sie mag nicht immer die beste sein für den aktuellen Job, aber sie sollte ein Werkzeug sein, das zu einem passt.

Zurzeit sind Leicas Summicron-Objektive meine Arbeitsgrundlage – und die nicht mehr hergestellten Leica-R-Objektive, von denen zum Beispiel das Zoom eine konstante Qualität über alle Brennweitenbereiche bietet.

Für diese Objektive benutze ich heute überwiegend die Leica SL und meine M240 als Back-up.

Beide Kameratypen haben Live View und alternativ noch einen EVF. Sie erlauben mir so, bis an die Grenze des Machbaren manuell zu fokussieren. Fürs Licht nehme ich normalerweise die SF-20- oder SF-40-Blitze oder spezielle Leuchten, um Licht und Lichteffekte für eine Szene oder Person zu kontrollieren, selbst im hellen Tageslicht.

Das M- und R-Glas auf der SL ist eine hochpräzise Shooting-Erfahrung – sie verzeihen keine Fehler, und man muss genau wissen, was man fotografiert, und wie man dorthin kommt, wohin man will.