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Esther Haase

    Je t’aime · Esther Haase 1 / 1
    Interview

    INTERVIEW

    Esther Haase

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    FOTOGRAFIE Esther Haase STYLING Mimi Hocke @ Uschi Rabe HAARE & MAKE-UP Dennis Brandt @ Bigoudi MODELS Isabelle Surmont @ Place Model Management und Harald Nicolas Stazol PRODUZENT Claudia Binke RETUSCHE Annalena Rumler
    KAMERA Leica S (Typ 007) mit Vario-Elmar-S 1:3,5-5,6/30-90mm Asph., Summarit-S 1:2,5/70mm Asph. (CS), Apo-Macro-Summarit-S 1:2,5/120mm (CS)

    „Je t’aime ... moi non plus“ von Serge Gainsbourg und Jane Birkin war die inspirierende Quelle für Esther Haases fotografische und filmische Interpreation des Themas. Als Kulisse diente für die Serie und den Film die prachtvollen Lagerfeld-Villa in Hamburg - eine Liebesgeschichte mit Isabelle Surmont und Harald Nicolas Stazol in klassisch-zeitlosem Schwarzweiß und dem cineastischen Look und Flair der sechziger Jahre

    S Magazin: Für das Shooting hast du die prachtvolle Villa Jako gewählt, die sich ehemals im Besitz Karl Lagerfelds befand und eigentlich schon ein kleiner Palast ist. Wie hat der Genius Loci dort dich und die Bilder beeinflusst?
    Esther Haase: Die Villa kenne ich schon lange und habe bereits einige Shootings dort gemacht. Ich liebe sie, sie ist so mondän, elegant und hat etwas Französisches. Das Gefühl dort, der Blick durch den Garten bis hin zur Elbe ist ein Traum; dieser Ort hat Kultur, Größe und Stil. Die Villa beflügelt mich jedes Mal. Der Garten ist so verwunschen, ein wahrer Lustgarten mit kleinen Wasserstellen, verknoteten Bäumen und einem wunderschönen Brunnen. Der Ort löst so viel in mir aus und entfacht meine Fantasie. Ich vergesse dann, dass ich in Hamburg bin, es ist einfach unwirklich schön.

    Dein Team bestand aus acht Personen – arbeitest du immer mit so vielen Assistenten und beschäftigst du immer Menschen, zu denen du auch Vertrauen hast?
    Ich liebe es, in einer vertrauten Atmosphäre zu arbeiten, besonders, wenn es um so ein intimes Shooting geht wie dieses. Das Team besteht in der Regel aus einem Visagisten, einem Stylisten, einem Digital Operator, einem Lichtassistenten und natürlich den Modellen, und zack, da sind wir dann schon bei sieben Personen – mich eingeschlossen –, und dann ist da natürlich auch noch der Kunde …

    Du fotografierst oft in Schwarzweiß und manchmal auch in Farbe. Wann fällt bei dir die Entscheidung für die Farbwahl?
    Schwarzweiß ist für mich grundsätzlich zeitlos klassisch. Ich liebe aber auch die Farbfotografie – allerdings nur, wenn die Farbe ganz bewusst als Stilmittel eingesetzt wird. Das heißt, man setzt bestimmte Farben bewusst komplementär ein – zum Beispiel Rot gegen Grün – oder monochrom – zum Beispiel Rot in Rot … rote Nägel, rote Lippen, roter Hintergrund. Erwin Blumenfeld ist für mich in dieser Hinsicht sehr inspirierend. Es kommt einfach auf das jeweilige Motiv und das Licht an.

    Das Shooting erzählt eine Liebesgeschichte, es ist eine Reprise der Zuneigung Serge Gainsbourgs zu Jane Birkin, du hast es „Je t’aime“ genannt, nach dem wohl bekanntesten Chanson Gainsbourgs. Wie bist du auf die Idee gekommen?
    Erst einmal wurde ich gefragt, ob ich ein Lied interpretieren könnte, und dann bin ich mit meiner Lieblingsstylistin und Freundin Mimi auf den Titel „Je t’aime“ gekommen. Welches Lied könnte man besser fotografisch visualisieren?

    Das feine Gespinst tiefer Emotionen hat sich auf das Shooting übertragen, die Aufnahmen sind fast zerbrechlich zart – bist du eine unverbesserliche Romantikerin?
    Die Romantik spielt beim klassischen Tanz eine sehr wichtige Rolle; ich war mal Tänzerin. Man könnte sagen, ich wäre romantisch, aber eigentlich bin ich extrem emphatisch. In erster Linie kann ich mich gut in Situationen und Menschen oder in diesem Fall in Musik hineinfühlen.

    Nach welchen Kriterien hast du deine Models ausgesucht?
    Ich suchte eine Frau, die sinnlich, weich und warm ist. Mit Isabel habe ich schon vorher gearbeitet, sowohl für Editorials der italienischen „Vanity Fair“ als auch für Werbekampagnen. Ich wollte immer mal etwas Freies mit ihr machen, sie ist eine ganz tolle Persönlichkeit und sehr mutig, frei und inspirierend. Vor allem hatte ich immer einen sehr guten und persönlichen Draht zu ihr. Sie ist die ideale Besetzung. Und Harald kenne ich ja auch schon sehr lange, so circa 20 Jahre. Ich wollte einen verruchten intellektuellen Dandy, und da war er einfach perfekt! Ich musste ihm nicht mal einen Anzug besorgen, denn he was simply perfect!

    Die Produktion orientierte sich an sehr ausführlichen Moods, dennoch hast du dich der Spontaneität hingegeben, sehr viel Freiraum gelassen. Ist das immer so bei dir? Wann ist für dich der Zeitpunkt gekommen, den Dingen freien Lauf zu lassen?
    Ich bereite meine Shootings immer sehr intensiv vor. Ich suche Bilder, um meine Gedanken zu visualisieren, ich suche Moods für Haare oder für Make-up, für die Location, für eine Situation oder für das Licht. Diese Bilder kann ich dann allen zeigen, erklären, was mir daran wichtig ist: Und sofort sind alle involviert, verstehen, was wir machen, werden Eingeweihte. Alle sind voll dabei. Dann kann man loslegen, und alle laufen in eine Richtung. Das erleichtert die Kommunikation. Außerdem behält man immer einen roten Faden. Gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Wenn ich dann mit den Modellen arbeite, kommt Leben in das Bild. Dabei entstehen dann auch ganz neue, eigene Sachen: Man sieht etwas und arbeitet daran. Oft sind es die kleinen, unbewussten, unbeobachteten Momente, die dann entstehen. Die liebe ich. Das sind oft die stärksten Bilder! Ich könnte meine Fotografie als inszenierte Reportage bezeichnen, alles geplant und vorbereitet, aber dann losgaloppiert und die Zügel losgelassen.

    Die Bilder wirken sehr entrückt und sind eigentlich recht zeitlos, Gainsbourg und Birkin dagegen sind Phänomene und Ikonen der 60er-Jahre. Wie hast du das gelöst?
    Ganz einfach, Gefühle sind keine Erscheinung eines Jahrzehnts, sie sind zeitlos. Ich liebe außerdem die großen Meister der Fotografie: Horst P. Horst, Man Ray, Richard Avedon, Newton …

    Zu dem Shooting ist auch ein Video entstanden. Wirst du dich irgendwann – wie viele Fotografen – gleichrangig mit beiden Medien befassen? Welches von beiden ist eher das Mittel deiner Wahl?
    Für mich ist und bleibt die Fotografie vorrangig. Ich liebe es, eine Geschichte in einem Bild auf den Punkt zu bringen. Das Filmen ist eher eine zeitlich aufgereihte Collage, bei der man etwas in vielen Einstellungen erzählt. Ich liebe dennoch eben den einen besonderen Moment, der alles erzählt.

    Alle Aufnahmen entstanden mit dem Leica S-System. Wie hat die Kamera deine Aufnahmen beeinflusst? War das für dich ein anderes Arbeiten? Worin liegen für dich die Vorteile der Leica S?
    Für mich war es wirklich eine Geduldsübung, da ich normalerweise mit der Kleinbildkamera aus der Hand und in Bewegung fotografiere. Dieses Mal musste ich viel ruhiger arbeiten, aber mich hat die Qualität dieser Kamera begeistert. Diese fantastischen Tiefen, der Detailreichtum in den Bewegungsunschärfen. Das konnte ich früher nur mit Film erreichen. Diese Kamera hat etwas Ernsthaftes, etwas Autoritäres.

    Wir kennen uns nun fast seit zwanzig Jahren, und ich habe deine Entwicklung aus nächster Nähe gesehen, fast von Anfang an. Was waren deine entscheidenden Entwicklungsschritte in der Rückschau? In welche Richtung wird es mit dir weitergehen? Was wünschst du dir?
    Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Die erste Begegnung mit dem „Stern“, mit Wolfgang Behnken und mit dir war für mich unglaublich wichtig, natürlich auch die mit Herrn Schober oder die Begegnung mit meiner Galerie Camera Work. Dann die Paris Photo, gewonnene Wettbewerbe wie der des ADC oder der Reinhart-Wolf-Preis. Das Porträtieren eines tollen Menschen. Ausstellungen, wie zum Beispiel bei Fotografiska in Stockholm, C/O Berlin oder Bonni Benrubi in New York. Bücher. Wichtige Momente sind auch, wenn man eine große Kampagne fotografieren darf, wenn man zufällig Bilder von sich in einer Lieblingszeitschrift entdeckt, wenn man sich am Times Square hängen sieht oder die eigene Kampagne auf einem Taxi durch New York saust – oder wenn man, wie jetzt zuletzt im Dezember und Januar, im NRW-Forum Düsseldorf vertreten ist. Diese Momente sind unheimlich beglückend, das reinste Lebenselixier. Ich möchte wie ein guter Wein sein, im Alter immer besser. Meine Fotografie soll zeitlos sein. Ich wäre gern so etwas wie ein Eames Chair – der war früher schon toll und ist heute immer noch toll – eben zeitlos schön.