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Don’t blame me for… · Joachim Baldauf 1 / 1
Interview

INTERVIEW

Joachim Baldauf

2018_Portrait

Foto: Marina Geckeler

FOTOGRAFIE Joachim Baldauf KONZEPT Printkultur & Agentur Neubauer STYLING Daniella Petrovics HAARE & MAKE-UP Anna Brylla PROTAGONISTEN Misfit Models EIN DANKESCHÖN AN Del Keens KAMERA Leica SL (Typ 601) mit Vario-Elmarit-SL 1:2,8-4/24–90mm Asph.

„Don’t Blame Me For…“ ist eine hintergründige Porträtserie, in der der Berliner Fotograf Joachim Baldauf die Schönheit von Models, die nicht den üblichen Stereotypen entsprechen, spartanisch-markant inszeniert – eine Bildserie voller überraschender und wertvoller Details, die die fotografische Versiertheit Baldaufs in beeindruckender Weise unterstreicht.

Du bist seit Jahrzehnten gefragt. Hat sich dein Stil über die Jahre verändert? Wie würdest deine fotografische Handschrift beschreiben?

Grundsätzlich bin ich meinem Stil sehr treu geblieben, obwohl ich das Experiment und neue Technologien liebe. In meiner Fotografie war der Schritt von analoger zu digitaler Technik nicht sichtbar. Das liegt wohl daran, dass im Mittelpunkt meiner Fotografie der Mensch steht und mein persönlicher Blick auf ihn. Meine fotografische Handschrift ist auch sehr stark geprägt von der Art, wie ich Licht setze beziehungsweise sehe. Retusche war und ist bei meiner Fotografie nicht sehr wichtig. Die meisten meiner Fotos sind schon fertig, wenn ich abgedrückt habe.

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach das einzelne Bild heute in Zeiten von Social Media wie Instagram & Co.? Wie verändert sich dadurch die Wahrnehmung? Und wo siehst du neue Möglichkeiten, um dem Bild wieder den passenden Rahmen zu geben?
Interessanterweise ist das einzelne Bild wichtiger als die Serie geworden. Postet man in den sozialen Netzwerken ein Foto aus einer Strecke oder Serie, interessieren sich die Betrachter meist nicht mehr für die Serie. Das finde ich schade, da eine Serie oft besser Geschichten erzählen kann als ein Einzelmotiv. Meist werden Fotos auf Smartphones angeschaut. Dort dann auf Instagram, Facebook et cetera. Dadurch hat sich auch die Fotografie verändert. Details sind unwichtiger geworden, Emotionen werden sehr plakativ gezeigt. Darum mag ich nach wie vor Zeitschriften, Bücher und Ausstellungen. Virtual Reality wird in Zukunft aber ganz neue Möglichkeiten der Bildbetrachtung schaffen. Dann wird auch die Serie wieder spannend werden.

Du arbeitest als Dozent an diversen Kunsthochschulen. Was ist deine Botschaft an die Studenten? Gibt es etwas, das dich beunruhigt?
Schaut in euch und holt euch von dort Inspiration. Die wohl ehrlichste Inspiration ist die eigene Wahrnehmung, die eigene Gefühlswelt. Der ständige Vergleich mit anderen lähmt nur. Mich beunruhigt ein wenig, dass junge Kreative ihre Inspiration oft nur im Internet suchen. Wenn sie ein rotes Kleid fotografieren möchten, googlen sie „rotes Kleid“. Oder schauen bei den Topfotografen nach, was die so treiben. Das führt dazu, dass es immer weniger Fotografinnen und Fotografen mit einem eigenen Stil gibt.

Für das S Magazin hast du keine klassische Modestrecke gemacht, sondern eine besondere Porträtserie. Warum?
Ich habe die Chance genutzt, die das Magazin mir geboten hat. Ich fotografiere sehr gern Porträts. Ich liebe Menschen, die nicht den typischen Stereotypen entsprechen. Schönheit sehe ich in allen Menschen – das ist wohl meine größte fotografische Stärke. Und das wollte ich zeigen.

Was ist aus technischer und aus künstlerischer Sicht das Besondere an „Don’t Blame Me For…“?
Fotografiert habe ich die Porträts mit der Leica SL. Für mich ist das eine Kamera, die perfekt geeignet ist für Porträts. Details waren bei dieser Serie sehr wichtig, und die zeigt die Kamera so, wie ich es liebe. Durch den digitalen Sucher habe ich das Gefühl, dass ich filme – was ich mit der SL auch gern mache. Das gibt den Fotos den ehrlichen, direkten Look. Ich arbeite schon seit Jahren mit der Leica S, habe nun aber auch die SL für mich entdeckt. Vor allem draußen und in schwierigen Lichtsituationen arbeite ich sehr gern mit der Kamera.

Genauso wichtig wie die Fotografie selbst ist das Konzept. In letzter Zeit arbeite ich viel mit Text, und darum sind die Motive von „Don’t Blame Me For…“ die logische Konsequenz. Beim Konzept und den Texten wurde ich von Barbara Neubauer und Birgit Schwarz von der Agentur Neubauer unterstützt. Die Typografie hat Agnes Feckl von Printkultur gestaltet.

Wie hast du deine Protagonisten gesucht. Was ist das Besondere an ihnen?
Alle Protagonisten sind bei der Agentur Misfit Models unter Vertrag. Del Keens, der Eigentümer der Agentur, arbeitet selbst schon seit Jahren als Model und hat trotz seine Aussehens, das so gar nicht einem klassischen Model entspricht, große Kampagnen fotografiert. Del hat Menschen unter Vertrag, keine Models. Und das finde ich vor allem für die Porträtfotografie spannend. Del ist auch sehr professionell, was das Casting, das ja schon ziemlich umfangreich war, für uns sehr vereinfacht hat.

Wie interagierst du mit den Models beim Fotografieren? Welchen Typ bevorzugst du?
Bevor ich jemanden fotografiere, rede ich mit ihm. So bekomme ich ein Gefühl dafür, mit wem ich es zu tun habe. Ich erkläre, wie ich fotografiere und was mir wichtig ist. Frage nach und interessiere mich tatsächlich für den Menschen, den ich fotografiere. Unvorstellbar ist für mich, dass ich das Model das erste Mal im Set sehe. Ich bin eigentlich nicht auf einen bestimmten Typ festgelegt. Glücklich bin ich immer dann, wenn ich Teamworker vor der Kamera habe und keine Zicken.

Was sind deine Pläne für die Zukunft? Glaubst du, dass der Ort, an dem man arbeitet, die Art der Fotografie beeinflusst?
Ich bin ein fürchterliches Landei und habe immer diese Sehnsucht nach Natur. Deswegen wird es mich wohl früher oder später wieder in die Berge verschlagen. Es ist ja schon seit einigen Jahren so, dass ich zwei Monate pro Jahr im Allgäu bin. Das tut mir gut und gibt mir Kraft. Ich glaube definitiv, dass der Ort, an dem man lebt, die Arbeit beeinflusst. Vor allem in jungen Jahren. Ich bin oft umgezogen und sehr viel gereist. Das hat mich definitiv geprägt, inspiriert, offener und toleranter gemacht. In Zukunft möchte ich mehr filmen und mehr schreiben. Der Fotografie bin ich eh verfallen, die wird mir bleiben.